Saarland University Faculty of Medicine
Umweltschutz
Prof. Dr. Peter Lipp

Antibiotika und die Umwelt

Arzneimittel sind aus unserem Leben nicht wegzudenken. Zur Heilung oder zur Verhütung von Krankheiten werden heutzutage große Mengen angewendet. Mit Risiken für die Umwelt werden Arzneimittel aber nur wenig in Verbindung gebracht. Das Auftreten von Arzneimittel-Wirkstoffen in der Umwelt und der Verdacht auf schädliche Auswirkungen auf Umweltorganismen rückten erst in den letzten Jahren in den Blick der Öffentlichkeit. Rückstände von Arzneimitteln sind inzwischen nahezu flächendeckend in Fließgewässern, aber auch in Böden und Grundwässern und vereinzelt in Spuren auch in Trinkwässern nachzuweisen. Das Ausmaß eventueller Gefahren für die Umwelt und möglicherweise auch für den Menschen ist aber nach wie vor unklar. Forschungsergebnisse und Daten der Umweltüberwachung belegen jedoch für einzelne Wirkstoffe deutliche Risiken für die Umwelt. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über das komplexe Thema der Umweltrisiken von Humanarzneimitteln und die Möglichkeiten der Risikominderung gegeben werden.

 

Wirkung in der Umwelt

Arzneimittelwirkstoffe sind biologisch hochaktive Stoffe, die gezielt in den Regelungsmechanismus von Organismen eingreifen: Sie können den Stoffwechsel beeinflussen, das hormonelle Gleichgewicht verschieben oder die Signalübertragung von Zelle zu Zelle verändern, um nur einige Beispiele ihrer möglichen Wirkungen zu nennen. Aufgrund ihrer biologischen Aktivität und der Vielzahl spezifischer Wirkungen liegt es auf der Hand, dass Arzneimittel auch Wirkungen auf andere Lebewesen haben können, wenn sie in die Umwelt gelangen.

Die häufig verwendeten Antibiotika beispielsweise wirken nicht nur hemmend auf pathogene Bakterien sondern auch auf das Wachstum von Algen und Pflanzen (Crane et al. 2006). Das Schmerzmittel Diclofenac ist dafür bekannt, dass es besonders empfindliche Tiere schädigen kann.

Auch synthetische Hormone wie zum Beispiel 17α Ethinylestradiol (EE2), der Wirkstoff der AntiBaby-Pille, sind dafür bekannt, dass sie bereits im sehr niedrigen Nanogramm/Liter-Bereich(ng/l) die Reproduktion von Fischen nachhaltig beeinflussen.

 

Risiken für die Umwelt bestehen aber nicht nur bei niedrigen Wirkschwellen (hohe Toxizität (T)). Auch Eigenschaften, wie etwa ein hohes Bioakkumulationspotential (B), das heißt die Fähigkeit zur Anreicherung in der Nahrungskette, und eine geringe Abbaubarkeit (Persistenz (P)) können eine potentielle Gefahr für die Umwelt darstellen.

 

Antibiotika-Resistenzen bei humanpathogenen Bakterien

Das Auftreten von Antibiotika-Resistenzen bei humanpathogenen Bakterien wurde als schwerwiegendes Problem des weltweiten öffentlichen Gesundheitswesens erkannt. Mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie DART wurde 2008, federführend durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), ein Konzept zur internationalen und nationalen Eindämmung antimikrobieller Resistenzen in Deutschland vorgelegt. Für den Umweltbereich sind das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt in

die Umsetzung der Strategie eingebunden.

Die Bewertung von Antibiotika-Resistenzen bei Infektionserregern ist ein wichtiges Kriterium im Rahmen der Zulassung von Arzneimitteln. Hier werden umfassende toxikologische Untersuchungen durchgeführt und bewertet. Im Gegensatz hierzu wird die Antibiotika-Resistenzbildung in der Umweltrisikobewertung der Arzneimittel bisher nicht betrachtet. Aus umwelthygienischen und Verbraucherschutz-Aspekten ist es aber wichtig, derartige Untersuchungen auch auf die in der Umwelt vorkommenden Mikroorganismen auszuweiten.

Bislang ist nicht bekannt, in welchem Ausmaß die Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen in der Umwelt die Resistenzproblematik in der Humanund Tiermedizin verschärft.