Saarland University Faculty of Medicine
Pharmaindustrie
Prof. Dr. Peter Lipp

Pharmaindustrie – Die wirtschaftliche Krise um Antibiotika

Aufstieg des Industriezweiges

Wirft man einen Blick auf die Entwicklung der Pharmazeutika (siehe Abb.), ist seit den 1950er Jahren ein deutlicher Anstieg in der Antibiotikaproduktion zu verzeichnen. Dieser beruht unter anderem auf Entdeckungen wie Alexander Flemings Penicillin (vgl. Strametz, R.; 2017). 
Vor allem in den Jahren von 1980 bis Ende 1990 wuchs die Zahl neuer Antibiotika auf ein Maximum. Somit ergab sich im 20. Jahrhundert ein lukrativer Wirtschaftszweig für die Pharmaindustrie. (vgl. Neue Antibiotika: Den Vorsprung gegenüber resistenten Bakterien wahren (2019; 17.10.).

 

Produktionseinbruch

Wie an nebenliegender Quelle ersichtlich kam es um die Jahrtausendwende zu einer massiven Abnahme neuer Antibiotika. Auch die Absatzmenge bereits vorhandener Produktionen wurde enorm gekürzt. „So haben Anfang der 2010er-Jahre 15 der 18 größten Pharmafirmen ihre Antibiotikaforschung eingestellt.“ (Herwald, H.; 2019).

 

 

Dies basiert auf folgenden Umständen:

Aufgrund einer erhöhten Antibiotikaverwendung in verschiedenen Branchen stieg die Zahl an Resistenzen, weshalb jene Präparate in ihrer Wirkung massiv gehemmt wurden. Die Entwicklung neuer Produkte beschränkt sich somit hauptsächlich auf Reserveantibiotika (vgl. Antibiotika-Forschung: Warum Unternehmen aussteigen; 2019, 16.09.). Ärzte würden jene nur dann verschreiben, falls herkömmliche Medikamente ihre Wirkung verfehlen. Der Absatzmarkt für neu entwickelte Antibiotika ist somit enorm gesunken (vgl. Abb.1). Forschung und Entwicklung sind damit einhergehend wenig rentabel.

Die schnelle Veränderung von Resistenzen schränkt die Forschung zudem ein. Trotz jahrelanger Arbeit kann die Wirkung eines Antibiotikums aufgrund einer Resistenzänderung bis zur Fertigstellung des Medikaments bereits verloren sein (vgl. Antibiotika-Forschung: Warum Unternehmen aussteigen; 2019, 16.09.).

 

Auch die Lukrativität verschiedener Arzneimittel ist für deren Produktion ausschlaggebend. Bezieht man sich hierbei auf die Anwendungsdauer, überwiegt die Gewinnmaximierung bei Medikamenten gegen chronische Krankheiten, wie beispielsweise Krebs oder Rheuma, gegenüber der nur kurz angewendeten antibakteriellen Mittel (vgl. Herwald, H., 2019).

 

Als letzten Punkt gilt es, die zunehmende Etablierung von Generikafirmen anzuführen. Diese resultieren auf dem Verlust des Patentrechtes einer Pharmaindustrie nach 20 Jahren. Nach Ablauf dieser Zeitspanne sind oft Produktionskosten offen und keine Gewinne verzeichnet; vlg. Herwald, H., 2019). Eben angesprochene Generikafirmen können nun die nicht eigens entwickelten Antibiotika billiger anbieten und generieren somit einen stetigen Preisabfall.

Die Summe dieser Gründe führt die Pharmaindustrie zunehmend weiter in ein Verlustgeschäft.

 

Lösungsansätze

Trotz der fehlenden Rentabilität beschäftigen sich einige wenige, kleine Pharmaunternehmen weiterhin mit der Entwicklung neuer Antibiotika, da diese immer noch mehr als notwendig sind. „Schon derzeit sterben in der EU jedes Jahr rund 33.000 Menschen an den Folgen von Infektionen mit resistenten Keimen, […]“ (NDR-Recherchen enthüllen: Pharmakonzerne steigen aus Antibiotika-Forschung aus; 2019, 12.09.). Diese Zahl belegt einmal mehr die Notwendigkeit einer fortgeführten Forschung in der Antibiotikatherapie. Ohne Änderung, so befürchtet auch der Focus online, „könnten durch resistente Keime bis 2050 jedes Jahr zehn Millionen Menschen sterben“ (NDR-Recherchen enthüllen: Pharmakonzerne steigen aus Antibiotika-Forschung aus 2019, 12.09.).

Mögliche Alternativen die Forschung zu unterstützen sind jedoch bereits in Arbeit. Forschungsprogramme wie NewDrugs4BadBugs (ND4BB) oder Global Antibiotic Research & Development Partnership (GARDP) bieten kleineren Firmen sowie eigenständigen Wissenschaftler die Möglichkeit einer nicht finanziell belasteten Forschung auf dem Gebiet der Antibiotika (vgl. Neue Antibiotika: Den Vorsprung gegenüber resistenten Bakterien wahren; 2019, 17.10.). ND4BB wurde beispielsweise im Jahr 2012 unter Anteilnahme der Pharmaindustrie und der Europäischen Union gegründet. Mit einer Laufzeit von 10 Jahren und einer Gesamtsumme von 660 Millionen Euro werden sieben verschiedene Projekte zur Erforschung neuer Antibiotika gefördert; vgl. Herwald, H., 2019).

Abschließend lässt sich anführen, dass aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit große Pharmafirmen ihre Antibiotikaforschung weitestgehend eingestellt haben; Herwald, H., 2019). Die Suche nach Alternativen zur Erhaltung der Antibiotikaforschung kommt jedoch durch kleinere Pharmaunternehmen nicht vollständig zum Erliegen.

 

Quellen: