Saarland University Faculty of Medicine
Bewegung und Ernährung
Prof. Dr. Peter Lipp

Therapie: Bewegung und Ernährung

Allgemeine Empfehlungen

Die Therapieziele sind für jeden Patienten individuell zu gestalten und hängen von einer Vielzahl von Einflussfaktoren (z.B. Alter, Vorerkrankungen, körperliche Verfassung, Lebenssituation) ab. Doch egal, welcher Therapieansatz verfolgt wird, das Hauptziel bleibt stets, das Risiko für Folgeerkrankungen zu senken. Bei Rauchern wird demnach empfohlen, den Tabakkonsum einzustellen, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das bei Diabetikern ohnehin schon erhöht ist, zu senken.

Die folgenden Maßnahmen richten sich eher an Typ-2-Diabetiker, wobei Typ-1-Diabetiker sehr wohl ebenso von den allgemeinen Vorteilen dieser Behandlungen profitieren können.

 

Ernährung

Bei Typ-1-Diabetikern steht in erster Linie die Vermeidung zu drastischer Blutzuckerschwankungen (Hyper- und Hypoglykämie) im Vordergrund; bei Typ-2-Diabetikern liegt der Fokus auf der Normalisierung des Körpergewichts. Empfohlen wird eine ausgewogene Ernährung ohne Verzicht auf einzelne Lebensmittelgruppen, wobei diese sich wie folgt gliedern lässt:

Kohlenhydrate

  • Ca. 45-60% der täglichen Nahrungsaufnahme
  • Besonderer Fokus, da sie den Blutzuckerspiegel besonders stark beeinflussen
  • können
  • Langsam verdauliche Kohlenhydrate werden vor Haushalszucker, Fructose
  • und Zuckeralkoholen bevorzugt
  • Süßstoffe wie Aspartam oder Stevia sind insulinunabhängig und enthalten
  • keine Kalorien, können also bei der Gewichtsreduktion helfen
  • Diabetiker- und Diätprodukte mit Zuckeraustauschstoffen wie Xylit sind zwar
  • auch insulinabhängig, besitzen aber eine ähnliche Energiedichte wie Haushaltszucker und können daher einer Gewichtsreduktion entgegenwirken!!
  • Glykämischer Index (GI) bietet Orientierung bei der Wirkung kohlenhydrathaltiger Lebensmittel auf den Blutzuckerspiegel (hoher GI →Blutzuckerspiegel steigt rasch, niedriger GI→Blutzuckerspiegel steigt langsamer und bleibt stabiler)
  • Kohlenhydrateinheit (KE) (früher oft auch als Broteinheit (BE) angegeben) hilft Patienten, den Kohlenhydratgehalt einzelner Lebensmittel einzuschätzen; 1 KE entspricht 10g Kohlenhydrate, 1 BE entspricht 12g Kohlenhydrate
  • Kohlenhydrat-Austauschtabellen geben die Menge einzelner Lebensmittel an, die 1 KE entspricht

Eiweiße und Fette

  • Ca. 10-20% der täglichen Kalorien von Eiweißen und ca. 30-35% von Fetten
  • Fettreiche Kost und besonders Lebensmittel mit einem hohen Anteil an gesättigten oder trans-ungesättigten Fettsäuren sollten nur in Maßen
  • konsumiert werden
  • ungesättigte Fettsäuren pflanzlichen Ursprungs werden empfohlen
  • regelmäßiger Verzehr von Fisch und magerem Fleisch kann förderlich sein
  • Eiweißkonsum sollte bei Nierenerkrankungen begrenzt werden

Patienten sollten einen vielfältigen Verzehr von frischem Obst und Gemüse anstreben. Kochsalz sollte nur in Maßen konsumiert werden. Die Portionsgröße sollte vermindert und die Häufigkeit der Nahrungsaufnahme erhöht werden. Ballaststoffreiche Lebensmittel helfen, den Blutzuckerspiegel stabil zu halten. Alkohol blockiert die Glucose-Freisetzung in der Leber, was eine Senkung der Glucosekonzentration im Blut und damit ein erhöhtes Risiko für eine Hypoglykämie zur Folge hat; deshalb sollte Alkohol nur in Maßen und immer zusammen mit kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln konsumiert werden. Patienten können in Diabetikerschulungen eine angepasste Ernährung, sowie Tipps für das alltägliche Leben antrainieren. Falls eine Ernährungsumstellung bei adipösen Patienten nicht hinreichend ist, kann auch ein operativer Eingriff wie eine Magenverkleinerung in Betracht gezogen werden

     

    Bewegung

    • Empfohlen werden 2-3 Stunden moderate bis intensive Bewegung pro Woche, auch durch die Steigerung der Alltagsaktivität
    • Als besonders effizient wird eine Kombination aus Ausdauer- und Krafttraining angesehen
    • Gesteigerte Aktivität kann den Blutzuckerspiegel bedingt stabilisieren
    • Von Eiweißpräparaten oder Alkoholkonsum nach dem Sport (da Alkohol eventuell zu einer verzögerten Hypoglykämie führen kann) wird abgeraten
    • Besonders wichtig ist die Anpassung der Insulindosen vor und nach dem Sport, um starke Blutzuckerschwankungen zu vermeiden
    • Grundsätzlich sind alle Sportarten möglich, wobei eine extreme körperliche Beanspruchung nur in Absprache mit einem Arzt erfolgen sollte
    • Gesteigerte Aktivität fördert die Gewichtsreduktion, das Herz-Kreislauf-System und kann den Glucoseanstieg nach dem Essen verringern, was auch für Typ-1-Diabetiker interessant ist, führt im Allgemeinen also zu einer Verbesserung der Körperfunktionen

    Fazit

    Eine Ernährungs- und Lebensumstellung, gepaart mit regelmäßiger Bewegung steigert die Insulinempfindlichkeit und kann den Insulinbedarf senken. Diese Art der Therapie kann unter Umständen ähnlich positive Auswirkungen wie eine medikamentöse Behandlung haben, wenn sie früh genug gestartet wird und keine Insulintherapie notwendig ist. Die positiven Effekte angepasster Ernährung und regelmäßiger Bewegung nach den oben beschriebenen Richtlinien wurden in zahlreichen Studien nachgewiesen. Darunter konnten im Zuge einer US-Studie von 3200 Frauen und Männern, von denen ein Teil ihre Ernährung und ihr Training umstellten, etwa 5% pro Jahr einer Diabetes-Diagnose vorbeugen. Im Schnitt konnten die Probanden eine Diagnose um ca. vier Jahre verzögern. Ob durch diesen Behandlungsansatz Folgeerkrankungen ganz vermieden werden können ist bisher unklar.