Saarland University Faculty of Medicine
3R in der kardiovaskulären Forschung - LFFP
Prof. Dr. P. Lipp

Saarländische Forscher helfen Tierversuche zu reduzieren – Staatskanzlei fördert Vorhaben

Gemeinsame Pressemitteilung der saarländischen Staatskanzlei und der Universität

Saarländische Forscher helfen Tierversuche
zu reduzieren – Staatskanzlei fördert Vorhaben

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Die Vorgänge auf zellularer Ebene, die solche Krankheiten auslösen sind jedoch häufig noch unbekannt, erscheinen aber wichtig, um neue Therapiestrategien zu entwickeln. Für kardiovaskuläre Grundlagenforschung und pharmazeutische Tests müssen daher oft viele Mäuse gezüchtet und oft auch geopfert werden. Um die Zahl der Versuchstiere zu reduzieren (Reduction), die Experimente zu verbessern (Refinement) und Tierversuche zu ersetzen (Replacement, die 3Rs), müssen neuartige Versuchsansätze alternativer Methoden intensiv erforscht werden. Dieses Ziel hat sich ein Konsortium aus drei Forschergruppen gesetzt. Leiter des Konsortiums sind Professor Peter Lipp und Privatdozent Lars Kaestner von der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes. Partner sind das Universitätsklinikum Heidelberg sowie das Klinikum rechts der Isar in München. Gefördert wird das saarländische Projekt „3R in der kardiovaskulären Forschung“ mit rund 250.000 Euro für drei Jahre von der saarländischen Staatskanzlei.

Im Jahr 2014 wurden nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft rund 1,9 Millionen Mäuse zu Forschungs- und Testzwecken in Deutschland verwendet. Damit stellen sie den Großteil aller rund 2,8 Millionen Versuchstiere, die 2014 in Deutschland verwendet wurden. Nur ca. 66 Prozent aller Mäuse kamen aber hierbei tatsächlich in Studien zum Einsatz. Fast ein Drittel aller Mäuse müssen bei Nachzuchten getötet werden, da ihre genetischen Eigenschaften nicht für die angedachten Studien geeignet sind (Quelle: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Tier/Tierschutz/2014-TierversuchszahlenGesamt.pdf?__blob=publicationFile).
Insbesondere bei der Erforschung von Herz-Kreislauf-Krankheiten sind zurzeit Labormäuse und andere kleinere Nagetiere wie Ratten, Meerschweinchen und Kaninchen unverzichtbar. „Für viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die zellulären Ursachen und Mechanismen des Krankheitsverlaufs noch nicht ausreichend verstanden. Darüber hinaus müssen neue Medikamente auf ihre Verträglichkeit im Herz-Kreislauf-System getestet werden. Zurzeit müssen für diese zentralen Fragestellungen nach wie vor viele Tiere gezüchtet und in Studien verwendet werden“, erklärt Peter Lipp, Professor für Molekulare Zellbiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes.

Zusammen mit seinem Mitarbeiter, Privatdozent Lars Kaestner, hat der Leiter des Instituts für Molekulare Zellbiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes daher gemeinsam mit Professor Oliver Müller (Kardiologische Klinik des Universitätsklinikum Heidelberg) sowie Professorin Alessandra Moretti und Professor Karl-Ludwig Laugwitz (Kardiologische Klinik am Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München) eine Studie zur Verminderung, Verbesserung und Ersatz von Tierversuchen aufgenommen.

Der Titel „3R in der kardiovaskulären Forschung” verdeutlicht die hierbei eingeschlagene Strategie: „Reduction, Refinement and  Replacement“, also „Verminderung, Verbesserung und Ersatz“. „Wir wollen mit diesen drei Ansätzen versuchen, die Zahl von Tierversuche erheblich zu reduzieren“, erklärt Peter Lipp. Eine Methode der Wissenschaftler besteht zum Beispiel darin, die gewünschten genetischen Eigenschaften, die die Beschaffenheit des Herzgewebes der Labormäuse bestimmen, mit Viren in Mäuse zu „implantieren“, deren Gene bisher nicht passend waren. Dieser so genannte „virale Gentransfer“ ist eine effektive Möglichkeit, Mäuse mit den gewünschten Eigenschaften auszustatten. „Auf diese Weise verhindern wir die Zucht und die Tötung vieler Mäuse, deren genetische Eigenschaften für die Versuche nicht passend sind“, erläutert Peter Lipp. Um die passenden Tiere zu erhalten, muss bisher – je nach Studie – ein überwiegender Teil der Tiere getötet werden, da ihre genetische Zusammenstellung nicht die gewünschten Eigenschaften hat. Die Forscher schätzen, dass solche viralen Techniken das Potenzial haben, um „die benötigten Tierzahlen zur Erzeugung einer für die Studie ausreichenden Anzahl genetisch veränderter Tiere um eine erhebliche Anzahl zu reduzieren“, wie es in der Studienbeschreibung heißt.

Eine weitere Säule der Suche nach alternativen Methoden besteht im sanfteren Nachweis, ob die Genmanipulation tatsächlich gelungen ist. Bisher mussten die Wissenschaftler gerade in sogenannten Verlaufsstudien über einen längeren Zeitraum eine größere Anzahl an Mäusen töten, um die erfolgreiche Genveränderung mittels Gewebeprobe oder Organentnahme  zu verifizieren. „Besonders bei der Arbeit am Herzgewebe leuchtet es ein, dass ein Weiterleben dieser Tiere nach Organentnahme nicht möglich ist“, erklärt Peter Lipp. Die Forscher wollen nun durch ein neues bildgebendes Verfahren im lebenden Tier messen, ob der Gentransfer gelungen ist. Peter Lipp: „Zur nicht-invasiven Untersuchung wollen wir ein erst vor Kurzem entwickeltes Fluoreszenzprotein verwenden, das iRFP720. Dieses iRFP720 erlaubt es zusammen mit innovativer photoakustischer Technologie, die Genmanipulation im lebenden Tier direkt zu verfolgen.“

Als drittes Standbein ihrer Studie möchten die Wissenschaftler nicht mehr auf isolierte Herzmuskelzellen von Versuchstieren zurückgreifen, sondern mit humanen Herzmuskelzellen aus sogenannten induzierten Stammzellen von Patienten arbeiten. Diese induzierten Stammzellen werden aus Blut- oder Hautzellen von Patienten erzeugt und erlauben die Umwandlung in eine fast beliebige Menge von humanen Herzmuskelzellen. Die Forschergruppen um Professor Laugwitz und Dr. Moretti konnten auch in Studien zusammen mit der Gruppe um Professor Lipp zeigen, dass diese Herzmuskelzellen dieselben genetischen Defekte wie die Zellen ihrer Spenderpatienten aufweisen. Somit stellen diese Zellen ein geradezu ideales Modellsystem auch zur routinemäßigen Reihenuntersuchung von neuen Medikamenten auf ihre Nebenwirken im Herzen, sogenannte Kardiotoxizitäts-Studien, dar.

Zusammengenommen werden Studien auf diesen drei Standbeinen „zu neuartigen Ansätzen der substanziellen Verminderung und Verbesserung sowie zum Ersatz von Tierversuchen führen“, so Professor Lipp.

 

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