Universitätsklinikum des Saarlandes und Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes
Peptidrezeptor-vermittelte Radionuklidtherapie (PRRT)
Prof. Dr. Samer Ezziddin

Peptidrezeptor-vermittelte Radionuklidtherapie (PRRT)

    Was sind neuroendokrine Neoplasien oder Tumore (NEN oder NET; alt: Karzinoid)?

      Neuroendokrine Tumore sind seltene Tumore (0.5-1/100.000 Einwohner und Jahr), die sich aus hormonbildenden Zellen entwickelt haben und auch oft selbst in der Lage sind Hormone zu produzieren. Weshalb hormonbildende Zellen veranlasst werden zu entarten, ist weitgehend unbekannt. Meistens bilden sich NET im Verdauungstrakt wie Magen, Dünndarm, Dickdarm und Bauchspeicheldrüse, aber auch oft in Lunge, Schilddrüse und Thymus.

      Häufige Symptome sind Durchfälle, anfallsartige Errötung und Schwitzen (Flush), Asthma u.a., zurückzuführen auf die Eigenschaft des Tumors, selbst Hormone zu produzieren.

      NET zeichnen sich durch langsames Wachstum aus, wodurch sie häufig erst spät im menschlichen Körper Symptome machen. Rechtzeitig erkannt und behandelt können Karzinoide jedoch vollständig geheilt werden.

       

        Was ist eine PRRT?

        Primär sollte ein NET operativ entfernt werden, sofern möglich. Im inoperablen Stadium gibt es aber auch andere Therapieformen wie unter anderem die PRRT.

         

        Man hat vor vielen Jahren herausgefunden, dass sich NET-Zellen (oder Karzinoidzellen) durch eine massive Präsenz an Somatostatinrezeptoren (bestimmte zelluläre „Haftstellen“, die ursprünglich Empfangs-Signal-Funktionen in gesunden Zellen haben) auf der Zelloberfläche auszeichnen und diese Eigenschaft macht man sich bei der PRRT (Peptid-vermittelte Radiorezeptortherapie) zu Nutze.

         

        Man hat Peptide gefunden, die sich mit diesen Haftstellen verbinden. Diese Peptide verbindet man (über einen Chelator, meist DOTA) mit einem radioaktiven  Nuklid, hier Lutetium-177 (HWZ: 6,7 Tage). Das Radionuklid Lu-177 sendet ionisierende Strahlung aus, einerseits die therapeutisch wirksamen Beta-Strahlen und andererseits Gamma-Strahlung, die den Körper verlässt. Da Beta-Strahlen eine sehr geringe Reichweite von wenigen Millimetern im Gewebe besitzen, bleibt die Bestrahlung auf die Krebszellen begrenzt, welche hierdurch abgetötet werden sollen. Die Gamma-Strahlen machen es möglich die im Tumor erreichte Speicherung des Radiopharmakons mit der Gammakamera zu dokumentieren. Aus strahlenschutzrechtlichen Gründen ist die Therapie mit einem stationären Aufenthalt auf der nuklearmedizinschen Therapiestation verbunden, die Standard-Aufenthaltsdauer beträgt 5 Tage.

        Fallbeispiel I PRRT

        45jährige Patientin mit pankreatischem NET (Grad 3) und Lebermetastasen zeigte Progression nach Chemotherapie (Etoposid/cis-Platin). Ein dramatischer Rückgang der Tumorlast konnte nach sechs Behandlungszyklen mit Lutetium-177 Peptidrezeptor Radiotherapie (PRRT) mittels 177Lu DOTATATE festgestellt werden. Das Therapiemonitoring erfolgte mittels 68Ga DOTATOC PET Bildgebung.

        Für welche Patienten ist die PRRT die geeignete Therapieform?

        Prinzipiell kann jeder Patient mit inoperablem NET geeignet sein. Im Rahmen interdisziplinärer Tumorkonferenzen wird durch Internisten (Gastroenterologen, Onkologen), Chirurgen, interventionellen Radiologen, Pathologen, Strahlentherapeuten und Nuklearmediziner anhand der vorliegenden Untersuchungsbefunde (inkl. CT, MRT, PET/CT) beraten, was die bestmögliche  Therapie für einen Patienten ist.

         

        Welche Vorbereitungen sind notwendig?

        Um eine Besetzung der Somatostatin-Rezeptorstellen mit dem oft verwendeten Medikament Sandostatin zu vermeiden, sollte dieses bis zu 6 Wochen vor Therapie (Depot-Präparate) abgesetzt werden.

         

        Essentiell für die Durchführung einer Peptidrezeptor-vermittelten Radionuklidtherapie ist der Nachweis von für die Therapie ausreichenden Somatostatin-Rezeptorstellen auf den Tumorzellen. Aufschluss darüber erhält man durch die Durchführung einer 68-Ga-DOTA-Octreotat– PET/CT, mit der der Haftstellenbesatz  an den Tumorzellen festgestellt wird.

         

        Zugleich werden eine umfassende Labordiagnostik und eine nuklearmedizinische Nierenfunktionsprüfung durchgeführt.

         

        Wie läuft die Therapie ab?

        Sie werden am Vortag der Therapie auf unserer Therapiestation RN-01 aufgenommen. Bitte bringen Sie einen aktuellen stationären Einweisungsschein mit, den Ihnen Ihr Hausarzt ausstellt. Am Vortag der Therapie werden die Untersuchungen zur vorbereitenden Diagnostik durchgeführt.

         

        Am Therapietag erhalten Sie im Vorfeld der Therapie Medikamente gegen Übelkeit und einen Magensäurehemmer. Begleitend zur Therapie erhalten Sie eine Infusion mit einem Medikament zum Schutz Ihrer Nieren. Anschließend erfolgt die eigentliche Therapie, wobei Ihnen das radioaktiv markierte Arzneimittel intravenös über eine Infusion über ca. 30 min verabreicht wird. Die Therapie findet in ständiger Anwesenheit von Pflegepersonal und der/dem Stationsärztin /arzt statt.

         

        Nach erfolgter Therapie sollen Sie ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen, um die Radioaktivität, die nicht an die Tumorzellen gebunden wurde, möglichst schnell wieder auszuscheiden. Dadurch kann die Strahlenexposition Ihrer Nieren verringert werden. Nach der Therapie erfolgen während Ihres stationären Aufenthalts mehrfach diagnostische Szintigraphien mit der Gammakamera, um die im Tumor erreichte Speicherung des Radiopharmakons zu dokumentieren.

         

          Wie läuft der weitere stationäre Aufenthalt ab?

          Der stationäre Aufenthalt dauert insgesamt 5 Tage. Sie werden üblicherweise an einem Mittwoch aufgenommen und am Montag der darauffolgenden Woche entlassen.

           

          Nach erfolgter Therapie dürfen Sie den Kontrollbereich, d.h. die Station RN-01, für 24 h nicht verlassen. Freitags erfolgen dann eine Messung der in Ihrem Körper verbliebenen Restaktivität sowie szintigraphische Aufnahmen mit der Gammakamera zur Verteilung des Radiopharmakons in Ihrem Körper. Danach dürfen Sie die Station für einen Spaziergang oder ein Treffen mit Ihren Angehörigen verlassen.

           

          Sie müssen mindestens 48 h nach erfolgter Therapie auf der Therapiestation verbleiben. Danach können Sie entlassen werden sobald die Radioaktivität in Ihrem Körper einen vom Gesetzgeber vorgegebenen Grenzwert unterschritten hat. Am Tag der Entlassung wird zunächst eine Messung der in Ihrem Körper verbliebenen Radioaktivität durchgeführt. Im Anschluss daran erfolgen die abschließenden diagnostischen Szintigraphien und ein Abschlussgespräch mit dem Stationsarzt.

           

            Fallbeispiel II PRRT

            34jähriger Patient mit pankreatischem NET (Grad 3) und Lebermetastasen zeigte Progression nach Chemotherapie (5-FUSTZ). Partielle Remission konnte nach vier Behandlungszyklen mit Lutetium-177 Peptidrezeptor Radiotherapie (PRRT) mittels 177Lu DOTATATE erreicht werden. Das Therapiemonitoring erfolgte mittels 18F-FDG PET Bildgebung.

            Gibt es Nebenwirkungen?

            Meistens wird die PRRT sehr gut und ohne wesentliche Nebenwirkungen vom Patient vertragen. Gelegentlich kann es zu Müdigkeit, Übelkeit, Kreislauf- und Atembeschwerden, der Flush-Symptomatik oder abdominellen Beschwerden kommen. Diese Beschwerden lassen sich medikamentös gut behandeln.

             

            Auch Blutbild-Veränderungen sowie geringfügige Funktionseinschränkungen der Leber und der Nieren können mögliche Begleiterscheinungen sein.

             

            Wie oft wird die PRRT durchgeführt?

            Die PRRT erfolgt i.d.R. in vier einzelnen Zyklen im Abstand von jeweils ca. zwei bis drei Monaten, da wir die mögliche Therapieaktivität dadurch schonender verabreichen können. Vor jedem Therapiezyklus wiederholen wir die oben beschriebenen Vorbereitungen, die für die Therapie notwendig sind.

             

            Welche Nachsorge ist nach PRRT erforderlich?

            Nach Therapie sollte alle 14 Tage beim Hausarzt oder behandelnden Onkologen eine Überprüfung des Blutbilds, der Leber- und Nierenfunktion erfolgen. Außerdem wird 8 Wochen nach Therapie eine MAG3-Nierenfunktionsprüfung durchgeführt.

             

            Ungefähr 2-3 Monate nach Abschluss der vier Zyklen der PRRT wird eine PET/CT-Diagnostik mit 68-Ga-DOTA-Octreotat zur Beurteilung des Therapieerfolges (Restaging) in unserer Klinik durchgeführt.


              Fazit:

              PRRT ist ein elegantes Verfahren zur gezielten Tumortherapie, mit einer Infusion können alle Tumorläsionen im Körper gleichzeitig erreicht und von innen bestrahlt werden. Sie stellt damit eine nebenwirkungsarme und vielversprechende Therapieoption bei neuroendokrinen Tumoren dar!

              Koordination Tumortherapie

              Tel.: 06841/16-24594

              Fax: 06841/16-1724594

              Netzwerk NeT e.V.

              Informationen rund um das Thema Neuroendokrine Tumoren über das Netzwerk Neuroendokrine Tumoren (NeT) e.V. unter www.netzwerk-net.de

              Beispiel eines drastischen Ansprechens bei einem G3 NET Pat.

              Klinische Phase-III-Studie COMPETE

              Diese klinische Studie untersucht die Wirksamkeit und Sicherheit der zielgerichteten Radionuklidtherapie mit 177Lu-Edotreotid (Solucin®) bei Patienten mit neuroendokrinen Tumoren gastroenterischen oder pankreatischen Ursprungs (GEP-NET). Für weitere Informationen sprechen Sie uns gerne an oder informieren Sie sich unter: www.compete-clinical-trial.com

              Die Informationsbroschüre zur Studie finden Sie hier.

              Weitere Informationen

              Shaker Verlag

              Artikel:

              Peptid-Radiorezeptortherapie

              bei neuroendokrinen Tumoren

              Prof. Dr. S. Ezziddin

              (50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin)

                PRRT (Schematische Darstellung)