Saarland University Faculty of Medicine
Apoptoseverhalten primärer humaner Kolonepithelzellen
Prof. Dr. Peter Lipp

Zell-Zell-Kontakte auf das Apoptoseverhalten primärer humaner Kolonepithelzellen

 

Stabile Zell-Zell-Kontakte sind essentiell für das Überleben primärer humaner Kolonepithelzellen (KEZ), weshalb wir im Folgenden zunächst auf den Aufbau der Kolonepithelzellen eingehen werden. Danach präsentieren wir Euch die signifikante Relevanz von einer intakten Zell-Zell-Verbindung für das Bestehen der KEZ.

 


Quelle: https://viamedici.thieme.de/api/images/l/b/r/i/e/f/histo_008500_steckbrief.png?15584227297480000, Aufgerufen am 1.11.19 um 20:27Uhr.

 

Das Lumen des Darmes ist mit einer Schleimhaut, der Mukosa, ausgekleidet, die wiederum von schleimbedeckten Epithelzellen bedeckt ist. Im Lumen des Kolons befinden sich die sogenannten Darmzotten (Ausstülpungen, die der Oberflächenvergrößerung dienen) sowie die Krypten, sprich die Einfalzungen zwischen den Zotten.

 

 


 

 

Apoptose, der programmierte Zelltod

 

Im menschlichen Körper gehen beschädigte oder dem Organismus nicht mehr benötigte Zellen in den kontrollierten Zellsuizid über, die sogenannte Apoptose, wobei hier ausdrücklich von der Nekrose unterschieden werden muss. Apoptotische Zellen durchlaufen dabei eine Reihe von zellmorphologischen Veränderungen. Dazu zählen das Schrumpfen der Zelle, Chromatinkondensation, DNA-Degradation, Fragmentierung des Zellkerns und die Ausbildung membranumschlossener apoptotischer Vesikel (so genannter apoptotic bodies). Im Gegensatz zur Nekrose kommt es dabei weder zu einer Schädigung der Plasmamembran noch zu

einer Entzündungsreaktion[1].

 

 


 

Intrazelluläre Apoptose(Intrinsischer apoptotischer Signalweg):

 

DNS-Schäden, Chemotherapeutika, UV-Strahlung, Gammastrahlung etc.

 

 


Extrazelluläre Apoptose(extrinsischer apoptotischer Signalweg):

 

Durch T-Zellen aktiviert

 

 


 

 

Sonderform der Apoptose, die Anoikis:

 

Meredith et al. beobachteten 1993, dass Endothelzellen apoptotisch absterben, wenn ihnen der Kontakt zur extrazellulären Matrix entzogen wird. Das gleiche Phänomen beschrieben Frisch und Francis an renalen Epithelzellen und gaben ihm den Namen Anoikis (griech.: Zustand der Heimatlosigkeit). Ihre ursprüngliche Definition von Anoikis - „Apoptose, die durch den Verlust des Zell-Matrix-Kontakts induziert wird“ – wurde inzwischen erweitert zu „Apoptose, die durch den Verlust der Zellverankerung induziert wird“, da neuere Daten zeigen, dass auch der Verlust der Zell-Zell-Verankerung zum Zelltod durch Apoptose führen kann. Diese spezielle Form des Zelltods ist von besonderer physiologischer Relevanz, da ein Verlust der Verankerungsabhängigkeit einen wesentlichen Schritt im Rahmen der neoplastischen Transformation (Übergang von gesunden zu tumorösen Zellen) adhärenter Zellen (verbindende/anhaftende Zellen) darstellt. Maligne (bösartig) transformierte, metastasierende Zellen entwickeln eine Anoikisresistenz und sind deshalb in der Lage, sich aus dem Zellverband bzw. von der Matrix zu lösen (Metastasierung).

 


 

Zell-Zell-Verankerung

 

Die Zell-Zell-Verankerung wird in Abhängigkeit vom Zelltyp von unterschiedlichen Adhäsionsproteinen vermittelt. Zwischen benachbarten Epithelzellen und Endothelzellen bilden sich tight junctions aus, die unter anderem für die Aufrechterhaltung der epithelialen Barriere und Polarität von entscheidender Bedeutung sind. Direkt unterhalb der tight junctions findet man die adherens junctions, über die der interzelluläre Kontakt durch Assoziation von Cadherinen zustande kommt. Die Proteinfamilie der Cadherine besteht aus single-pass-Transmembran-Glykoproteinen, die eine Ca2+-abhängige Zell-Zell-Adhäsion vermitteln.

 


 

Zusammenhang Verlust Zell-Zell-Kontakt und Anoikis

 

Innerhalb einer Krypte bilden primäre humane Kolonepithelzellen (KEZ) stabile

Kontakte zur extrazellulären Matrix sowie zu den benachbarten Zellen aus. Der

Verlust dieser Zellverankerung führt in KEZ jedoch zur schnellen Einleitung einer

speziellen Form von Apoptose, die als Anoikis bezeichnet wird.[2]. Während die Rolle von Zell-Matrix-Kontakten für das Überleben von KEZ in den letzten Jahren sehr gut charakterisiert wurde, war die Bedeutung der Zell-Zell-Adhäsion in diesem Zusammenhang bislang noch völlig unklar.

 

Die Arbeit von Frau Claudia Hoffman zur Erlangung der Doktorwürde schlussfolgerte, dass die Zell-Zell-Verankerung einen wichtigenÜberlebensfaktor für primäre humane KEZ darstellt. Durch Aggregation (Zellverklumpung) blieben die Zellmorphologie sowie die Zell-Zell-Kontakt-vermittelnden Strukturen der

KEZ (Kolonepithelzellen) erhalten[3]. Trotz Abwesenheit von Zell-Matrix-Kontakten wurde durch die alleinige Aufrechterhaltung der Zell-Zell-Verankerung die apoptotische Kaskade vollständig blockiert, so dass es weder zur Aktivierung von Caspasen (Enzyme der Apoptose) noch zur DNA-Fragmentierung kam. Es wurde überprüft, inwieweit Proteine des adherens junctions-Komplexes an der Regulation von KEZ-Anoikis und -Überleben beteiligt sind. Hier zeigte sich, dass durch die Bindung von löslichem E-Cadherin (quasi eine Art molekularer Klebstoff) die Apoptoseraten in KEZ signifikant reduziert werden können, dass die

E-Cadherin-Bindung[4] allein jedoch nicht für eine vollständige Hemmung von Anoikis ausreichend ist. Darüber hinaus wurde nachgewiesen, dass durch die Aufrechterhaltung von KEZ-Zell-Zell-Kontakten der proteolytische Abbau von ß-Catenin (Zell-Kontakt/Strukturprotein) sowie dessen Deaktivierung effektiv gehemmt wird. Auf der Ebene der Bcl-2-Proteine (wichtige Funktionäre bei Regulation Apoptose) konnte festgestellt werden, dass der vollständige Verlust der Zellverankerung zur Freisetzung von Bcl-2 aus den Mitochondrien, zu einer leichten Abnahme der mitochondrialen Mengen an Bcl-xL (antiapoptotisches Enzym) sowie einer starkenAnreicherung von Bak (proapoptotisches Enzym, das der Permeabilisierung der Mitochondrienmembran dient) in den Mitochondrien führt. Demzufolge kommt es zu einer starken Abnahme des (Bcl-2, Bcl-xL)/(Bax, Bak)-Verhältnisses[5]. So wurde nach Verlust jeglicher Zellkontakte in KEZ eine starke Aktivierung von Kinasen und Transkriptionsfaktorensowie eine erhöhte Sekretion von Wachstumsfaktorenbeobachtet. Aufgrund dieser Mechanismen scheinen die Zellen unmittelbar nach Verankerungsverlust transient (vorübergehend) vor Anoikis geschützt zu sein und überleben, sofern innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls physiologische Zellkontakte wiederhergestellt werden. Sollten jene Zellkontakte nicht wiederhergestellt werden, kommt es zur Einleitung der Anoikis.

 

Zusammengefasst zeigen die Daten von Fr. Dr. rer. nat. Claudia Hofmann, dass stabile Zell-Zell-Kontakte eine essentielle Rolle für das Überleben primärer humaner KEZ spielen.



Quellen:

 

[1] 1.Claudia Hofmann: „Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der NW zum Thema: Zell-Zell-Kontakte auf das Apoptoseverhalten primärer humaner Kolonepithelzellen“, Bayreuth 2006- Inhalt: Fadok VA, Voelker DR, Campbell PA, Cohen JJ, Bratton DL, Henson PM. Exposure of phosphatidylserine on the surface of apoptotic lymphocytes triggers specific recognition and removal by macrophages. J Immunol 1992;148:2207-2216. Fadok VA, Voelker DR, Campbell PA, Cohen JJ, Bratton DL, Henson PM. Exposure of phosphatidylserine on the surface of apoptotic lymphocytes triggers specific recognition and removal by macrophages. J Immunol 1992;148:2207-2216.Aus „Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde (Dr. rer. nat.)“, ausarbeitet und publiziert von Claudia Hofmann im Jahr 2006 zum Thema „Einfluss von zell-Zell-Kontakten auf das Apoptoseverhalten primärer humaner Kolonepithelzellen“.

 

[2] Ebd.: Frisch SM, Francis H. Disruption of epithelial cell-matrix interactions induces apoptosis. J Cell Biol 1994;124:619-626.

 

[3] Ebd. Aoshiba K, Rennard SI, Spurzem JR. Cell-matrix and cell-cell interactions modulate apoptosis of bronchial epithelial cells. Am J Physiol 1997;272:L28-

 

[4] Ebd. L37.36. Bergin E, Levine JS, Koh JS, Lieberthal W. Mouse proximal tubular cell-cell adhesion inhibits apoptosis by a cadherin-dependent mechanism. Am J Physiol Renal Physiol 2000;278:F758-F768.37. Hermiston ML, Gordon JI. In vivo analysis of cadherin function in the mouse intestinal epithelium: essential roles in adhesion, maintenance of differentiation, and regulation of programmed cell death. J Cell Biol 1995;129:489-506.38. Kantak SS, Kramer RH. E-cadherin regulates anchorage-independent growthand survival in oral squamous cell carcinoma cells. J Biol Chem 1998;273:16953-16961.

 

[5] Ebd.



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