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14.03.2023
Aktuelles
Besserer Antibiotikaeinsatz in kinderonkologischen Zentren

Jährlich erkranken in Deutschland rund 2000 Kinder an Krebs, meist an einer Leukämie oder an einem Hirntumor (vgl. die Webseite der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie). Die gute Nachricht: Die meisten an Krebs erkrankten Kinder können heute unter anderem durch eine Chemotherapie geheilt werden. Die Chemotherapie unterscheidet jedoch nicht zwischen gesunden und kranken Zellen und schwächt daher vorübergehend das Immunsystem Eine bakterielle Infektion kann sich im Körper eines immungeschwächten Kindes dann sehr rasch ausbreiten und verheerende Auswirkungen haben. Ohne den Einsatz von Antibiotika mit breitem Wirkspektrum wäre die moderne Kinderonkologie daher nicht möglich. Dabei gilt: Antibiotika sollen so gezielt und rational wie möglich eingesetzt werden, um gefährlichen Resistenzen vorzubeugen. Wie dies am besten geschieht, ist in nationalen und internationalen Leitlinien vorgegeben.

 

Eine von Oberarzt Dr. Cihan Papan, der Doktorandin Katharina Reifenrath (Mikrobiologie UKS in Homburg), Markus Hufnagel (Universitätsklinikum Freiburg) und Arne Simon (Kinderonkologie UKS in Homburg) initiierte und geleitete Studie hat die Gabe von Antibiotika und von Medikamenten gegen Pilzinfektionen (Antimykotika) an 30 Zentren für Kinderonkologie untersucht. Insgesamt wurden Daten von 320 krebskranken Kindern analysiert, von denen zum Zeitpunkt der Erhebung 142 mit Antibiotika oder Antimykotika behandelt wurden. In annähernd der Hälfte der Fälle wurden Antibiotika zur Behandlung eines sogenannten „Fiebers im Zelltief“ gegeben, das häufig auf eine intensive Chemotherapie folgt. Es gab jedoch auch Infektionen des Blutes, der Haut und Weichteile oder der Lunge.

 

In dieser Studie wurde der Einsatz von Antibiotika und Antimykotika in der Kinderonkologie zum ersten Mal nicht nur beschrieben, sondern zusätzlich im Detail beurteilt. Dies geschah durch Expertinnen und Experten für Kinderonkologie und für Infektionen bei Kindern. Jeweils drei Fachleute bildeten ein Panel, welches die 142 Fälle der mit Antibiotika/Antimykotika behandelten Kinder beurteilte. Die Kliniken, in welchen die Patienten behandelt wurden, waren ihnen dabei nicht bekannt.

 

Legten die Expertinnen und Experten lokale Leitlinien für den Umgang mit Antibiotika als Maßstab an, war etwa ein Drittel (34 Prozent) der Verordnungen inadäquat. Wurden zusätzlich die nationalen Leitlinien als Maßstab für die Behandlung zugrunde gelegt, stieg der Anteil an unsachgemäß eingesetzten Antibiotika sogar auf 48 Prozent. „Inadäquat kann dabei vieles bedeuten“, erläutert Cihan Papan. „Dahinter verbergen sich Fehler in der Dosierung, eine nicht erforderliche Kombinationstherapie mit mehreren Antibiotika oder das fehlende Umsetzen auf ein Antibiotikum mit schmalerem Wirkspektrum, wenn der Erreger und seine Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika bekannt sind“, so der Infektionsmediziner.

 

„Es war für uns insgesamt erstaunlich, wie wenig sich die nationale Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Fachgesellschaften (AWMF) von 2016 in der klinischen Praxis durchgesetzt hat“, kommentiert Professor Arne Simon, der gerade die Neuauflage dieser nationalen Leitlinie für die Fachgesellschaften koordiniert, die Ergebnisse. „Zur Verbesserung der Situation braucht es eine engere Zusammenarbeit der Kinderonkologinnen und -onkologen mit Fachleuten aus einem sogenannten Antibiotic Stewardship (ABS)-Programm. Die verfügen über weiterführende Kenntnisse zur Diagnostik und Therapie von Infektionen und bilden gemeinsam mit den klinischen Mikrobiologen und Apothekern ein ABS-Team.“ Ein ABS-Team kann gezielt beraten und intervenieren und dabei darauf achten, dass sich die Praxis der Antibiotikatherapie stärker an den nationalen Leitlinien orientiert.

 

Am Uniklinikum des Saarlandes in Homburg gibt es seit 2018 ein solches ABS-Team, das sich regelmäßig trifft, um gemeinsame ABS-Projekte zu planen bzw. durchzuführen und den zielgerichteten Einsatz von Antibiotika am UKS zu optimieren.

 

 

 

Originalpublikation:

 

Antimicrobial use in pediatric oncology and hematology in Germany and Austria, 2020/2021: a cross-sectional, multi-center point-prevalence study with a multi-step qualitative adjudication process

 

https://doi.org/10.1016/j.lanepe.2023.100599

 

 

 

 

 

Weiterführende Informationen:

 

Gerade im Bereich der stationären Kinder-und Jugendmedizin gibt es bislang nur sehr selten Spezialistinnen und Spezialisten für Infektionskrankheiten (Infektiologinnen/Infektiologen) und sogenannte Antibiotic Stewardship (ABS)-Teams. Zur Verbesserung dieser Situation wurde das vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss geförderte TeleKasper-Projekt ins Leben gerufen. TeleKasper steht für „Telemedizinisches Kompetenznetzwerk Antibiotic Stewardship in Pediatrics“. Dieses Forschungsnetz umfasst neben der Kinderklinik am Universitätsklinikum des Saarlandes (Hub Homburg) weitere Kinderkliniken an drei universitären Standorten und 35 regionale Kinderkrankenhäuser.

 

Zentrales Werkzeug des Projektes ist die TeleKasper-App, ein fortlaufend aktualisiertes online-Nachschlagewerk zur Diagnostik und Therapie von Infektionen für Kinder- und Jugendärzte. Zusätzlich bahnt diese App den Austausch zwischen den Kliniken und dem ABS Team des regionalen Hubs. Neben Fragen zur Diagnostik und Therapie gibt es – nach Zustimmung der Sorgeberechtigten – die Möglichkeit Patienten-bezogener telemedizinischer Fallbesprechungen. Auf diese Weise gelangt infektiologisches Spezialwissen in Form einer konkreten Beratung zeitnah ans Patientenbett.

 

 

 

UKS-Report III-2022: Antibiotika zielgerichtet einsetzen

 

Das TeleKasper-Projekt und die TeleKasper-App

 

Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene: Antibiotic Stewardship (ABS) und Antibiotika-Leitlinie/ InfectioApp

 

 

 

Kontakt:

 

Prof. Dr. med. Arne Simon

Tel.: (06841) 16-28399

E-Mail: arne.simon @uks.eu

 

 

 

Dr. med. Cihan Papan

E-Mail: cihan.papan @uni-saarland.de 

 

 

 

Prof. Dr. med. Arne Simon ist Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Pädiatrische Hämatologie und Onkologie und klinischer Infektiologe (Diplom der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie und Zusatzweiterbildung Infektiologie/DGPI) am Universitätsklinikum des Saarlandes.

 

Er koordiniert zusammen mit Prof. Johannes Hübner (München) die Arbeitsgruppe Antibiotic Stewardship der DGPI und leitet das Sektor-übergreifende pädiatrisch-infektiologische Paedine Saar Netzwerk (gefördert vom Ministerium für Gesundheit, Soziales und Familie des Saarlandes).

 

Prof. Simon ist seit 2004 vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung berufenes Mitglied der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert-Koch Institut, Berlin (KRINKO). Als Leiter der entsprechenden Arbeitsgruppe hat er die Empfehlung „Prävention nosokomialer Infektionen bei neonatologischen Intensivpflegepatienten mit einem Geburtsgewicht unter 1500g“ koordiniert. An der Erstellung der Empfehlung zur „Infektionsprävention bei Immunsupprimierten Patienten“ war er maßgeblich beteiligt.

 

Die wissenschaftliche Arbeit von Prof. Simon wurde mehrfach mit renommierten Preisen ausgezeichnet.

 

 

 

Dr. med. Cihan Papan, Oberarzt am Zentrum für Infektionsmedizin, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene (Universitätsklinikum des Saarlandes), wurde im Mai 2022 von der European Society for Paediatric Infectious Diseases (ESPID) mit dem renommierten „Young Investigator Award“ ausgezeichnet. Dr. Papan wurde mit diesem Preis insbesondere für seine innovativen Forschungsprojekte im Bereich der Infektionsdiagnostik geehrt. In der weltweit größten prospektiven, multizentrischen Studie hat Dr. Papan die klinische Wertigkeit eines neuartigen Biomarkers (Kombination aus TRAIL, IP-10 und CRP) bei der Unterscheidung zwischen bakteriellen und viralen Ursachen einer Infektion im Kindesalter untersucht. Dabei hat er zeigen können, dass der neue Biomarker den herkömmlichen Entzündungswerten in der diagnostischen Genauigkeit überlegen ist und zudem das Potential birgt, dass unnötiger Mehreinsatz von Antibiotika, der maßgeblich zum globalen Anstieg von Antibiotikaresistenzen beiträgt, um den Faktor 3,3 reduziert werden könnte.