Medizinische Dokumentation

Prinzipien und Anwendungen

Was ist medizinische Dokumentation?

Dokumentieren bedeutet, Informationen zu sammeln, zu ordnen, inhaltlich zu erschließen, aufzubewahren und wiederzufinden. Dabei kommt dem Wiederfinden eine besondere Bedeutung zu. Es dient dazu, sich selbst oder andere an etwas zu erinnern, Informationen anderen mitzuteilen (Kommunikation) sowie Entscheidungen abzuleiten, zu rechtfertigen oder zu analysieren. In diesem Sinn ist Wiederfinden das gleiche wie Benutzen der dokumentierten Informationen. Es geht also nicht nur darum, viele Daten zu sammeln oder zu ordnen, sondern das Ziel ist es, alle notwendigen (und möglichst keine unnötigen) Daten zu sammeln und diese so aufzubereiten, dass die später gestellten Fragen erschöpfend, vollständig und einfach beantwortet werden können.

Unter medizinischer Dokumentation im weiteren Sinn versteht man:

Wir beschränken uns im folgenden im wesentlichen auf die patientenbezogene medizinische Dokumentation, die für die ärztliche Tätigkeit am wichtigsten ist.

Wer dokumentiert?

Alle an der Behandlung von Patienten beteiligten Personen arbeiten an der patientenbezogenen medizinischen Dokumentation mit. Dabei handelt es sich um Ärzte, Schwestern und Pfleger, medizinisch-technisches Personal und Verwaltungspersonal. Auch der Patient selbst kann die medizinische Dokumentation durch eigene Aufzeichnungen ergänzen. Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland auch speziell für die medizinische Dokumentation ausgebildete Personen (Medizinischer Dokumentar, Medizinischer Dokumentationsassistent).

Was wird dokumentiert?

Alle bei der Behandlung eines Patienten anfallenden Informationen, von der Anamnese bis zum Therapieerfolg, einschließlich aller Befunde, Bilder und sonstigen Belege, bilden die Patientenakte. Sie umfasst insbesondere:

Beim niedergelassenen Arzt sind die Aufzeichnungen i.a. nicht so umfangreich wie im Krankenhaus, man spricht deshalb dort von einer Patientenkarte oder Karteikarte.

Wo wird dokumentiert?

Die medizinische Dokumentation erfolgt in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens, insbesondere in der ärztlichen Praxis und im Krankenhaus.

In großen Krankenhäusern, wie z.B. in Universitätskliniken, gibt es darüber hinaus eigene Einrichtungen, die sich mit der medizinischen Dokumentation befassen. Sie kontrollieren die einzelnen Schritte der Dokumentation und sorgen dafür, dass die Dokumentationsbelege vollständig und konsistent geführt werden. Da die Erlöse von der Qualität der Dokumentation abhängen (siehe Abschnitt Diagnose-orientiertes Fallpauschalensystem), werden diese Einrichtungen auch als medizinisches Controlling bezeichnet.

Warum ist die medizinische Dokumentation wichtig?

Rechtliche Gründe

In §15 der Berufsordnung für die deutschen Ärzte heißt es: "Der Arzt hat über die in Ausübung seines Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen. Ärztliche Aufzeichnungen sind nicht nur Gedächtnisstützen für den Arzt, sie dienen auch dem Interesse des Patienten an einer ordnungsgemäßen Dokumentation."

Die Dokumentationspflicht umfasst Anamnese, Diagnostik und Therapie. Die Aufzeichnungen müssen vollständig sein. Neben diesen formellen Aufzeichnungen kann der Arzt auch sogenannte informelle Notizen machen, indem er Vermutungen oder andere Angaben zur Gedächtnisstütze niederlegt. Sie sind nicht Bestandteil der Patientenakte im engeren Sinne.

Ärztliche Aufzeichnungen sind bis mindestens 10 Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren. Auch die Weitergabe von ärztlichen Aufzeichnungen an Kollegen oder nichtärztliche Stellen ist festgelegt. Sie darf nur erfolgen, wenn sie im Interesse des Patienten liegt und z.B. für seine Weiterbehandlung oder die Erstellung eines Gutachtens erforderlich ist. Der Arzt hat dafür zu sorgen, dass die medizinische Dokumentation sorgfältig aufbewahrt wird. Aufzeichnungen auf elektronischen Datenträgern, d.h. mit Hilfe eines Computers, bedürfen besonderer Sicherungs- und Schutzmaßnahmen, um die Veränderung, Vernichtung und unrechtmäßige Verwendung dieser Daten zu verhindern.

Der Eigentümer der Patientenakte ist bei niedergelassenen Ärzten der Arzt, bei Krankenhäusern die Klinik, nicht aber der einzelne Arzt. Der Patient hat grundsätzlich das Recht, jederzeit kostenfrei Auskunft über die gespeicherten Daten und Einsicht in die Patientenakte zu bekommen. Auskunft und Einsicht sollten aber unter der Verantwortung des behandelnden Arztes erfolgen, d.h. therapeutische Überlegungen des Arztes können das Auskunftsrecht einschränken.

Neben der Berufsordnung gibt es noch eine ganze Reihe von Rechtsvorschriften, die die medizinische Dokumentation betreffen (Gesundheitsstrukturgesetz, Krankenhaus-Statistik-Verordnung, Bundespflegesatzverordnung, Bundesseuchengesetz, Strahlenschutzverordnung u.a.). Insbesondere mit den Gesetzen zur Gesundheitsreform seit 1992 wurde die Dokumentationspflicht wesentlich erweitert.

Intensive medizinische Betreuung

Die Medizin bietet heute nicht nur Hilfe bei lebensbedrohenden Krankheiten, sondern auch Vorsorge, Schmerzbehandlung, Empfängnisverhütung oder sportliche Leistungssteigerung. Der einzelne konsultiert heute viel häufiger einen Arzt als früher. Die Krankenversorgung ist intensiver, vielseitiger und leistungsfähiger geworden. Dadurch ergeben sich viele patientenbezogene Informationen, die für die unterschiedlichen Anwendungen konsistent dokumentiert werden müssen.

Mobilität der Patienten, Spezialisierung der Heilberufe

Die Bindung eines Patienten an seinen Hausarzt ist heute nicht mehr der Standard. Vielmehr wechseln die Patienten häufig den Arzt. Die starke Zunahme des medizinischen Wissens hat zu einer Spezialisierung der Ärzte und zu einer Reihe neuer Heilberufe geführt. Aus beiden Gründen erhöht sich die Anzahl der Informationen je Patient. Im Krankenhaus sind fast immer mehrere Ärzte an der Behandlung des Patienten beteiligt. Daher ist eine intensive Kommunikation zwischen den Beteiligten erforderlich.

Chronische Krankheiten und Multimorbidität

Chronische Krankheiten und Multimorbidität sind heute in der Bevölkerung vorherrschend und haben die Infektionskrankheiten verdrängt. Dieser Sachverhalt erfordert einen erhöhten Dokumentationsaufwand, weil sich die Behandlung über längere Zeit hinziehen kann und viele verschiedene Aspekte gleichzeitig berücksichtigt werden müssen.

Medizinische Forschung

Auch die medizinische Forschung hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen. Sie ist auf konsistente, valide Informationen über die Erkrankungen der Patienten angewiesen, die mit der medizinischen Dokumentation gewonnen werden können.

Welche Ziele werden mit der medizinischen Dokumentation verfolgt?           

Nachweis der Durchführung und Unterlassung von Handlungen

Der Arzt muss aus rechtlichen Gründen in der Lage sein, zu erklären, warum er eine Maßnahme am Patienten durchgeführt hat oder nicht durchgeführt hat. Die medizinische Dokumentation dient also sowohl dem Arzt als auch dem Patienten, der im Zweifelsfall die einzelnen Schritte der Behandlung nachprüfen kann. Das betrifft auch die Erstellung von Gutachten für die Anerkennung von Berufskrankheiten oder Versicherungsleistungen.

Mangelnde Führung und Aufbewahrung von Patientenakten schadet dem Patienten, weil wichtige Informationen bei einer erneuten Erkrankung nicht vorliegen und Rechtsansprüche u.U. nicht durchgesetzt werden können. Die Beweislast liegt aber in diesem Falle beim Arzt, der die Durchführung und Unterlassung von Handlungen erklären muss, was ihm nur mit einer guten medizinischen Dokumentation gelingt.

Erleichterung der Kommunikation

Heute sind i.a. mehrere Ärzte und andere Personen an der Behandlung eines Patienten beteiligt. Das erfordert eine intensive Kommunikation, die nur mit einer gut geführten medizinischen Dokumentation möglich ist. Daraus ergibt sich auch, dass die einzelnen Elemente der medizinischen Dokumentation strukturiert und geordnet werden müssen. Im Gegensatz zu früher, wo der einzelne Arzt ein Ärztetagebuch führte, das individuell gestaltet sein konnte, weil nur er selbst auf die Informationen zugreifen musste, müssen die ärztlichen Aufzeichnungen (insb. Berichte und Arztbriefe) heute gewissen Standards entsprechen, damit alle beteiligten Personen sie problemlos benützen können.

Beurteilung des Krankheitsverlaufs, Entscheidungsunterstützung

Der Verlauf einer Krankheit und der Erfolg einer Behandlung sind nur anhand von Aufzeichnungen zu erkennen. Dazu dient im Krankenhaus die sogenannte Kurve, wo die wichtigsten Parameter und Maßnahmen zeitlich geordnet dokumentiert werden. Die Kurve ist eine wichtige Unterlage bei der täglichen Visite. Daraus werden die weiteren diagnostischen Maßnahmen oder Therapien abgeleitet. In diesem Sinne dient die medizinische Dokumentation direkt der Entscheidungsunterstützung.

Protokollfunktion der ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen zur Qualitätssicherung

Ärzte und Pfleger müssen über den individuellen Krankheitsverlauf hinaus jederzeit in der Lage sein, den Effekt der durchgeführten Maßnahmen zu überprüfen, um damit die Qualität der Behandlung zu sichern. Auch dafür sind Aufzeichnungen erforderlich, mit deren Hilfe sie erkennen können, wie die Maßnahmen im Einzelnen abliefen und ob sich der gewünschte Erfolg eingestellt hat. Die Qualitätskontrolle dient der besseren Behandlung der Patienten in der Zukunft.

Leistungserfassung, Leistungsstatistik                 

Bereits mit der Bundespflegesatzverordnung 1985 wurde für die Krankenhäuser eine abteilungsbezogene Leistungsstatistik für Diagnosen und Operationen vorgeschrieben. Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz 1992 (GSG) wurde die Dokumentationspflicht wesentlich erweitert. Ziel dabei ist es, insbesondere im Krankenhaus, die während der Patientenbehandlung erbrachten Leistungen transparent zu machen. Hinzu kommt die gesundheitspolitische Abkehr von einer pauschalen Abgeltung der Leistungen mit einem Pflegesatz. Ziel ist eine individuelle Abrechnung, bei der nur die tatsächlich erbrachten Leistungen einzeln abgegolten werden (siehe Abschnitt Diagnose-orientiertes Fallpauschalensystem).

Statistiken über Verweildauer, Auslastungsgrad, Personalbindung u.a. erleichtern auch die interne Betriebssteuerung des Krankenhauses.

Beispiel: Daten, die von den Krankenhäusern für jeden stationären Fall an die Kostenträger übermittelt werden müssen (Ausschnitt aus §301 Sozialgesetzbuch V):

(1) Die Krankenhäuser sind verpflichtet, den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung folgende Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln (die Informationen, die der Arzt erheben muss sind hier kursiv gedruckt):

(2) Die Diagnosen sind nach dem vierstelligen Schlüssel der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der jeweiligen vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information im Auftrag des Bundesministers für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung, die Operationen und sonstigen Prozeduren nach dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Schlüssel (OPS) zu verschlüsseln.

Gesundheitsberichterstattung

Wichtige Größen für die Gesundheitsberichterstattung sind die Anzahl der Krankheitsfälle, aufgeteilt nach einzelnen Krankheiten, und die Anzahl der an den einzelnen Krankheiten Verstorbenen. Diese Parameter erlauben Aussagen über den Gesundheitszustand der Bevölkerung. Daher müssen die Zahlen der Erkrankten und Verstorbenen an die statistischen Ämter gemeldet werden. Basis dafür sind die Angaben in der Patientenakte.

Datenbasis für die medizinische Forschung

Auch für die medizinische Forschung können die Daten wichtige Anhaltspunkte für generelle, d.h. patientenunabhängige Fragen liefern. So lassen sich z.B. Anzeichen für Nebenwirkungen von Medikamenten, Therapieerfolg und Prognose oder die Treffsicherheit von diagnostischen Verfahren ermitteln.

Methodik der medizinischen Dokumentation

Zunächst müssen einige Grundbegriffe der Dokumentation definiert werden. Ein Objekt (oder Gegenstand) ist ein beliebiger Ausschnitt der wahrnehmbaren oder vorstellbaren Welt. Alle Objekte haben eine Menge von Eigenschaften, durch die sie sich von anderen Objekten unterscheiden oder in denen sie mit ihnen übereinstimmen. Die Eigenschaften von Objekten werden durch Merkmale beschrieben. Ein Merkmal kann verschiedene Ausprägungen annehmen. Welche Merkmale und Ausprägungen definiert werden, hängt von der Fragestellung bzw. den Zielen der Dokumentationsaufgabe ab. Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass die Ausprägungen disjunkt und erschöpfend sind, d.h. dass für jedes Objekt eindeutig klar ist, welche Ausprägung zugeordnet wird, und dass jedem Objekt eine Ausprägung zugeordnet werden kann.

Objekte mit gleichen Eigenschaften lassen sich gedanklich (durch Abstraktion) zu einem Begriff (oder Objekttyp) zusammenfassen.

Beispiele:

Objekt Begriff Merkmal Ausprägung
Martha Artham Person Geburtsdatum
Haarfarbe
22.05.73
blond
Pneumonie Krankheit Erreger Pneumocystis carinii
Universität des Saarlandes Hochschule Anzahl der Studierenden im Wintersemester 2008/2009 15.373
Anton Huber, der vom 21.03.05 bis 06.04.05 auf der Station CA03 des Krankenhauses in Irgendwo wegen einer Sprunggelenksfraktur behandelt wurde. Patient Name
Vorname
Geschlecht

Krankheit
Huber
Anton
männlich (aus Vorname abgeleitet)
Sprunggelenksfraktur

Merkmale können in folgender Weise skaliert sein:

Nominale und ordinale Merkmale sind qualitativ, intervallskalierte und verhältnisskalierte Merkmale quantitativ.

Je nach Darstellung der Ausprägungen unterscheidet man:

Weitere Beispiele:

Merkmal Skalierung Ausprägung Darstellung
Haarfarbe nominal braun
3=braun
Zeichen, unformatiert
Zeichen, formatiert
Glasgow Coma Scale (GCS) ordinal 10 Zeichen, formatiert (Wertebereich 3 bis 15)
Körpergröße [m] verhältnisskaliert 1,76 Zeichen, formatiert
Thorax-AP nominal Bild

Die Festlegung der Inhalte eines Begriffs mit sprachlichen oder formalen Mitteln heißt Definition. Die Repräsentation eines Begriffs durch Sprache, Zeichen (Symbole) oder andere Mittel heißt Bezeichnung. Die Gesamtheit aller Begriffe und Bezeichnungen eines Fachgebiets heißt Terminologie.

Beispiel:
Definition: Zusammenfassung aller Krankheitszustände, die durch eine Entzündung der Lunge gekennzeichnet sind.
Bezeichnung: Lungenentzündung oder Pneumonie.
In Wörterbüchern sind den (alphabetisch sortierten) Bezeichnungen der Begriffe ihre Definitionen gegenübergestellt (Beispiel aus Pschyrembel):
Pneumonie: Akute oder chronische Entzündung des Lungenparenchyms, meist infektiöser, selten allergischer, chemischer oder physikalischer Genese.

Homonyme sind identische Bezeichnungen für unterschiedliche Begriffe. Antonyme sind Bezeichnungen für zwei Begriffe, die mindestens bezüglich eines Merkmals einen Gegensatz bilden, in den übrigen Merkmalen aber übereinstimmen. Synonyme sind unterschiedliche Bezeichnungen für denselben Begriff.

Beispiele:

Homonym Bruch (Knochenbruch) - Bruch (Hernie)
Antonyme Tachykardie - Bradykardie
Oberarmfraktur rechts - Oberarmfraktur links
Synonyme Blinddarmentzündung - Appendizitis, AIDS - HIV-Infektion

Eine (möglichst strukturierte) Sammlung von Daten heißt Dokument. Gleichartige Dokumente werden zu einem Dokumentationsobjekt zusammengefasst. Ein Dokumententräger ist ein physikalisches Medium zur Darstellung und Speicherung der Daten. Jedes Dokument bezieht sich auf ein Objekt und jedes Dokumentationsobjekt auf einen Begriff. Ein Dokument in diesem Sinne ist noch keine Urkunde.

Beispiele:

Dokumentationsobjekt Träger Begriff
Anamnesebogen Papier Patient
EKG Papier Patient
Röntgenbild Film Patient
Personaldaten Elektronisch (Festplatte) Patient
Kassenbon Papier Einkauf
Flugschreiber Elektronisch (MC) Flug/Flugzeug
Terminkalender Papier oder elektronisch Person

Ein Dokumentationssystem ist ein technisches System zur Durchführung von Dokumentationsaufgaben. Dazu gehören Werkzeuge und Organisationsvorschriften.

Beispiele:

Dokumentationssystem Werkzeuge Organisationsvorschriften
Adressregister Heft mit A-Z-Einteilung oder Karteikasten oder
Datenbank auf dem PC
Jeder Eintrag nach dem ersten Buchstaben des Nachnamens
Klinisches Dokumentationssystem einer Krankenhausabteilung Konventionelle Patientenakten, Archiv Vorschriften zur Ablage von Dokumenten in der Patientenakte, zur Sortierung im Archiv, zum Ausfüllen von Formularen, usw.

Innerhalb eines Dokumentationssystems wird ein Begriff nur durch die Ausprägungen der gewählten Merkmale beschrieben. Im Adressregister sind das für eine Person z.B. die Merkmale Name, Vorname, Straße, PLZ, Ort, Telefonnummer, Fax-Nummer, e-mail-Adresse.

Daten werden erhoben, indem die Ausprägung eines (oder mehrerer) Merkmals an einem Gegenstand bestimmt und aufgezeichnet wird. Das kann je nach Typ als Freitext (z.B. aktuelle Beschwerden bei einer Anamnese) oder formalisiert mit Hilfe von Formularen geschehen. Hinzu kommen die Aufzeichnung mit Geräten (z.B. Röntgen, EKG) und die direkte Eingabe mittels Tastatur und Maus in einen Computer.

Durch Standardisierung und Strukturierung mit Hilfe eines Dokumentationssystems werden Dokumente vergleichbar. Formale Vergleichbarkeit bedeutet, dass stets die gleichen Merkmale erfasst und die gleichen Bezeichnungen verwendet werden. Inhaltliche Vergleichbarkeit wird durch Festlegung der Wertemenge (d.h. der zulässigen Ausprägungen) erreicht. Dadurch wird der Stellenwert einer bestimmten Ausprägung verdeutlicht, allerdings i.a. mit einem Informationsverlust.


Beispiel:
Für den Ernährungszustand werden die Ausprägungen kachektisch, mager, etwa Normgewicht, übergewichtig, adipös festgelegt. Demgegenüber macht eine Freitextbeschreibung wie "Der Patient ist übergewichtig mit deutlichem Bauchansatz und unterentwickelter Muskulatur" durch die Ausdrucksvielfalt eine Vergleichbarkeit praktisch unmöglich.

Datenerfassung

Als Datenerfassung im engeren Sinn bezeichnet man die Eingabe von Daten in einen Computer. Neben der manuellen Eingabe mit einer Tastatur können auch Geräte (z.B. digitale Röntgengeräte, Laborgeräte) an einen Computer angeschlossen sein und so die Daten direkt dort speichern (online-Erfassung).

Für die manuelle Erfassung gibt es zwei Methoden:

  1. Man schreibt die Daten zunächst auf Papier und gibt sie in einem zweiten Arbeitsgang ein. Dabei ist es hilfreich, die zu erfassenden Merkmale in einem Formular zu strukturieren. Je nach Art der Merkmale verwendet man verschiedene Techniken (siehe dazu das folgende Beispiel: ein Formular zum Erfassen von Diagnosen). Für formatierte Daten werden Kästchen vorgesehen, die genau ein Zeichen aufnehmen können. Für numerische quantitative Merkmale werden damit die Gesamtstellenzahl und die Nachkommastellen festgelegt. Qualitative Merkmale können erfasst werden, indem alle Ausprägungen vorgegeben werden und die zutreffende angekreuzt wird, oder indem man eine Notation aus einem Schlüsselverzeichnis in Kästchen einsetzt (im Beispiel ICD). Eine weitere Form zur Erfassung qualitativer Merkmale stellt das Ankreuzen von Schematas dar (z.B. Körperregionen). Für Freitext ist Platz ohne Kästchen vorzusehen.
    Im nächsten Arbeitsgang werden die Daten von den Formularen in den Computer eingegeben. Die Erfassungskraft liest das Formular und tippt den Inhalt zeichenweise in die Tastatur. Dabei lässt sich das Formular auf dem Bildschirm abbilden (siehe 2.). Freitext wird zeichenweise eingegeben. Meistens ist eine maximale Zeichenzahl festgelegt.
    Sowohl beim Eintragen in die Formulare als auch bei der Eingabe können Fehler auftreten. Eine Prüfung dieser Vorgänge ist daher nötig (Datenkontrolle).
    Eine weitere Formularart stellen Markierungsbelege dar. Dabei werden alle Daten durch Ausfüllen von kleinen Kästchen "markiert" und anschließend mit einem Markierungsleser gelesen, der prüft, ob die einzelnen Kästchen geschwärzt, d.h. ausgefüllt, sind oder nicht. Problematisch dabei ist, dass alle Ausprägungen zeichenweise vorgegeben werden müssen. So sind z.B. für eine achtstellige numerische Patientennummer 8*10 Kästchen (falls für jede Stelle die Ziffern 0 bis 9 möglich sind) erforderlich. Dadurch benötigt man schon bei wenigen Merkmalen mit mehr als zwei Ausprägungen viel Platz.
    Schwierig ist die automatische Erfassung von handgeschriebenem Text, die gerade für die Freitext-Eingabe sehr hilfreich wäre. Bisherige Verfahren zur Handschrifterkennung sind noch sehr fehleranfällig und erfordern daher eine aufwendige Kontrolle. Es klappt besser, wenn man standardisierte Zeichen verwendet (OCR-Schriften (Optical Character Recognition), ähnlich wie Blockschrift).
  2. Das Formular wird auf dem Monitor abgebildet (Maske) und die Daten werden direkt in die Tastatur eingetippt. Für die Erstellung der Maske und die Speicherung der Daten ist ein Programm erforderlich, üblicherweise ein DBMS. Dabei können zur Datenkontrolle zusätzlich Prüf- und Plausibilitätsprogramme ablaufen. So kann z.B. die Eingabe eines Buchstabens in ein numerisches Feld blockiert werden oder es wird geprüft, ob das Entlassungsdatum stets nach dem Aufnahmedatum liegt. Dieses Vorgehen spart Zeit, setzt aber voraus, dass dort, wo die Daten anfallen, ein Computer steht und dass derjenige, der die Daten erhebt, bereit ist, sie direkt einzugeben.

Bei der Datenerfassung sollte die Behandlung von sog. fehlenden Werten (missing values) festgelegt sein. Dabei ist zu unterscheiden, ob ein Datum nicht vorliegt (fehlende Information) oder ob ein quantitatives Merkmal die Ausprägung "Null" bzw. ein qualitatives Merkmal die Ausprägung "Leer" haben kann. Meistens bedeutet ein leeres Feld, dass die Information nicht vorliegt.

Beispiel: Das Merkmal "Kopfschmerzen" habe die Ausprägungen "ja" (1) und "nein" (0). Dann bedeutet die Eingabe einer "0", dass der Patient befragt wurde, aber nicht über Kopfschmerzen klagt. Falls die Frage nicht gestellt wurde, bleibt das Feld leer.

Beispiel: Dokumentationsformular

 

Krankenhaus ... Station 
(Kurzbezeichnung)
 

               Dokumentation Patientenaufnahme

o Ärztliche Einweisung o Eilfallbescheinigung o Interne Verlegung
_____________________
(Name, Vorname)
Tag des Zugangs
   
   
   
_____________________
(Geburtsdatum)
Aufnahmeuhrzeit  
   
   
_____________________
(Straße)
voraussichtliche Dauer der Behandlung in Tagen  
   
_____________________
(Wohnort)
Grund der Aufnahme
(Schlüssel siehe Rückseite)
 
       
Einweisungsdiagnose (nicht bei interner Verlegung):
ICD-10
________________________________________________
     
.
 
Aufnahmediagnose:
________________________________________________
     
.
 
Ort, den ____________________  _____________________
(Unterschrift des(r) Stationsarztes/-ärztin)

Zur Befundung in medizinischen Leistungsstellen, wie Radiologie oder Pathologie, wird zunehmend die Spracheingabe verwendet. Dabei unterscheidet man zwei Verfahren.:

Eigenschaften von Dokumentationssystemen       

Medizinische Dokumentationssysteme können nach unterschiedlichen Kriterien eingeteilt werden:

nach ihrem Inhalt

nach dem Grad der Standardisierung

nach der "Richtung"

nach Bezug ("Referenz")

Beispiele:
Horizontale Dokumentation: Das Telefonbuch hat viele Einträge, aber jeweils nur wenige Merkmale: Name, Vorname, Straße, Hausnummer, Telefonnummer.

Vertikale Dokumentation: Patientendokumentation
Ein Krankenhausaufenthalt eines Patienten wird auch als Fall bezeichnet. Diese unpersönliche Bezeichnung kommt daher, dass jeweils ein Aufenthalt (also fallweise) abgerechnet wird. Jeder Fall erhält eine eigene Fallnummer (Aufnahmenummer). Da Name, Vorname, Geschlecht und Geburtsdatum einen Patienten nicht eindeutig identifizieren, wird eine zusätzliche Patientenidentifikation oder I-Zahl verwendet.

Die I-Zahl kann sich z.B. aus folgenden Merkmalen zusammensetzen:

Merkmal Stellenzahl Beispiel
Geburtsdatum 6 (TTMMJJ) 100459
1. Buchstabe des Vornamens 1 A(nton)
1. Buchstabe des Nachnamens 1 S(endlinger)
Geschlecht 1 (M/W) M
Laufende Nummer; sie dient zur eindeutigen Unterscheidung der Patienten, falls die I-Zahl in den ersten vier Merkmalen übereinstimmt 2 (ab 99 abwärts gezählt) 98

Die I-Zahl im Beispiel lautet also: 100459ASM98.

Die Ermittlung der I-Zahl nach diesem Beispiel ist ohne Computerhilfe nicht möglich, da die laufende Nummer nur durch einen Vergleich mit dem Bestand berechnet werden kann. Sie wird daher nur dort verwendet, wo die Patientenverwaltung (s.u.) mit einem Computerprogramm abgewickelt wird. Zunächst werden bei der Aufnahme des Patienten Geburtsdatum, Name usw. eingegeben, daraus die I-Zahl berechnet und die Daten des Patienten angezeigt, falls er schon einmal da war.

Damit ergibt sich für eine Patientendokumentation folgende "vertikale" Struktur:

Für die richtige Zuordnung sind identifizierende Merkmale notwendig, sog. Schlüssel. In diesem Beispiel sind das die Patientenidentifikation oder I-Zahl (Pat-ID), die Fallnummer oder Aufnahmenummer (A-Nr) und die Labornummer (L-Nr).

Wie bereits erwähnt, bilden heute Computer die Basis leistungsfähiger Dokumentationssysteme. Rechnergestützte Systeme bieten im Gegensatz zu konventionellen Systemen folgende Vorteile:

Beispiele:
Suche "Blutdruck"
Suche "Blutdruck" UND "Schlaganfall"
Suche "Krebs" ODER "Tumor" ODER "Neoplasma"
Suche "Brustkrebs" UND NICHT "männlich"

Medizinische Dokumentation im Krankenhaus               

Der grundlegende Dokumentationsbeleg im Krankenhaus ist die Patientenakte. Sie umfasst alle Unterlagen, die im Laufe einer Patientenbehandlung entstehen. Dazu gehören:

Mit der Patientenakte sollen folgende Ziele erreicht werden:

Um diese Ziele zu erreichen, muss die Patientenakte patientenbezogen, standardisiert und strukturiert sein. Patientenbezogen heißt, dass bei mehreren Krankenhausaufenthalten nicht jeweils eine neue Akte angelegt wird, sondern die vorhandene Akte des ersten Aufenthaltes fortgeschrieben wird. Nur dadurch ist eine einheitliche Sicht auf den Patienten möglich.

Standardisierung bedeutet die einheitliche Aufzeichnung bestimmter Merkmale von bestimmten Dokumentationsobjekten.

Beispiel:
Für das Merkmal Körperzustand werden die Ausprägungen gut, kachektisch, reduziert, adipös oder vorgealtert vorgegeben.

Strukturierung bedeutet die Festlegung, welche Dokumente in welcher Reihenfolge in die Patientenakte aufgenommen werden.

Beispiel:
Struktur der Patientenakte im Universitätsklinikum des Saarlandes:

Nach Möglichkeit wird in einem Krankenhaus nur eine Akte pro Patient geführt, auch wenn mehrere Fachabteilungen vorhanden sind. Dieser Grundsatz lässt sich allerdings in großen Krankenhäusern nicht immer durchhalten, so dass dort die Fachabteilungen getrennte Patientenakten führen. Außerdem müssen teilweise Sonderakten geführt werden, z.B. für Röntgenbilder, die wegen ihres großen Formates nicht in die herkömmlichen Patientenakten hineinpassen. In solchen Fällen sollte in der Patientenakte ein Verweis auf angefertigte Röntgenaufnahmen abgelegt sein (z.B. mit den zugehörigen Befunden).

Die äußere Form, der Kopf und der Aufbau der Patientenakte sollten innerhalb eines Krankenhauses einheitlich sein. Unter Kopf versteht man dabei ein einheitlich aufgebautes Titelblatt, das die wichtigsten Angaben zum Patienten enthält. Dieses Titelblatt kann eingeheftet oder als Etikett auf die Patientenakte geklebt sein. Je nach Umfang der Patientenakte kann es sinnvoll sein, Kategorien zu bilden (z.B. Anamnese, Klinische Chemie, Bakteriologie). Innerhalb der Kategorien werden die Belege chronologisch geordnet, der aktuellste obenauf. EKG-Ausdrucke o.ä. werden oft in eigenen Taschen abgelegt.

Die Idee der Patientenakte erfordert also das patientenbezogene Zusammenführen von Unterlagen, die an verschiedenen Stellen (am Krankenbett, im Labor, im OP) und zu verschiedenen Zeitpunkten erzeugt werden. Nur so bildet die Patientenakte eine synoptische Informationsquelle für alle an der Behandlung des Patienten beteiligten Personen. Daher sollte auch die Aufbewahrung und Weitergabe von Patientenakten straff geregelt sein. Untersuchungen haben gezeigt, dass in großen Krankenhäusern ein beachtlicher Teil der Patientenakten bei erneuter Behandlung nicht gefunden werden kann, weil organisatorische Vorschriften nicht eingehalten werden. Daraus resultieren Informationsverlust, Zeitverlust, Mehrbelastung der Patienten und höhere Kosten durch wiederholte Untersuchungen sowie höhere Kosten durch das Anlegen von Doppelakten.

Falls alle Daten oder Teile einer Patientenakte in einem Computer gespeichert sind, spricht man von der elektronischen Patientenakte (EPA). Die EPA löst allmählich die konventionelle Patientenakte ab. Allerdings gibt es noch rechtliche und praktische Einschränkungen. Elektronisch gespeicherte Daten werden bei gerichtlichen Verfahren noch nicht durchgängig als Belege (Beweise) anerkannt. Der Krankheitsverlauf lässt sich immer noch am besten mit der herkömmlichen "Kurve" auf Papier darstellen. Versuche, diese Kurve im Rechner abzubilden, waren nicht sehr erfolgreich, zumal die Erfassung der Vitalwerte am Krankenbett in einen Rechner noch aufwendig ist. Auf Intensivstationen aber, wo ein regelmäßiges Monitoring stattfindet, werden zunehmend Dokumentationssysteme eingesetzt, mit denen alle Daten, die während des Aufenthalts des Patienten auf der Intensivstation anfallen, erfasst werden. Außerdem werden EPAs aufgebaut, in denen möglichst alle Dokumente außer der "Kurve" gespeichert sind. Ein funktionierendes rechnergestütztes Klinikinformationssystem ermöglicht dabei das Zusammenführen von Informationen aus verschiedenen Quellen (siehe Kapitel Anwendungssysteme in der Medizin).

Eine EPA erleichtert die multiple Verwendung der Patientendaten. Darunter versteht man die Verwendung einmal erfasster Daten für mehrere Dokumentationszwecke (z.B. für die Patientenbehandlung, die Qualitätssicherung und für Auswertungen im Rahmen von Forschungsvorhaben).

Die folgende Abbildung zeigt die Belegungsübersicht einer Station aus einem klinischen Arbeitsplatzsystem. Von dieser Maske ausgehend können (z.T. mit den Buttons am oberen Rand) die einzelnen Funktionen der elektronischen Patientenakte aufgerufen werden, z.B. aktuelle Laborergebnisse (zweites Bild).

Archivierung

Nach Abschluss der Behandlung werden Patientenakten archiviert. Dafür gibt es verschiedene Ablagesysteme, z.B. Hängeregale. Um Patientenakten in einem Archiv wiederzufinden, müssen sie nach gewissen Kriterien abgelegt werden. Am häufigsten wird als Ablagekriterium das Geburtsdatum verwendet und (bei gleichem Geburtsdatum) als zweites Kriterium der aktuelle Name. Das entspricht also weitgehend der I-Zahl. Diese beiden Kriterien haben sich auch für große Archive als ausreichend trennscharf herausgestellt, so dass bei Gleichheit von Geburtsdatum und Name meist nur wenige Akten zu durchsuchen sind. Das Verfahren setzt voraus, dass bei allen Patienten das Geburtsdatum bekannt ist.

Es ist ratsam, eine verantwortliche Person mit der Führung des Archivs zu betreuen. Dadurch kann insb. eine Ausleihkontrolle sichergestellt werden. Wie in Bibliotheken wird die Ausgabe von Patientenakten registriert. Das kann konventionell mit Karteikarten oder computergestützt geschehen.

Um Platz zu sparen, kann man Patientenakten mikroverfilmen und die dabei entstehenden Mikrofiches ablegen. Das Ordnungskriterium wird entweder lesbar auf dem Film oder auf einer zusätzlichen Tasche angebracht. Es gibt heute Computer-Systeme, die sowohl die Ablage als auch die Verwaltung eines Mikrofilmarchivs unterstützen.

Für Teilbereiche bietet sich auch die digitale Archivierung an. Falls z.B. Röntgenaufnahmen mit einem digitalen System erstellt werden, können sie auf preiswerten elektronischen Datenträgern (z.B. magneto-optische Platten) archiviert und bei Bedarf von dort präsentiert werden. Solche Systeme, die vorwiegend in der Radiologie eingesetzt werden, heißen Picture Archiving and Communicating System (PACS).

Klassifikationen

Dokumentationssysteme dienen dazu, Dokumente (d.h. Informationen) wiederzufinden. Das Wiederauffinden (Retrieval) wird schwierig und unzuverlässig, wenn die Bezeichnungen nicht genau festgelegt werden, insbesondere wenn Synonyme verwendet werden dürfen. Eine Diagnose kann z.B. als Leberentzündung oder Hepatitis oder Virushepatitis erfasst werden. Um dieses Problem zu lösen, verwendet man außer der Strukturierung eigene Dokumentationssprachen bzw. Ordnungssysteme. Eine Dokumentationssprache besteht aus einer Menge von Deskriptoren (Schlagwörtern) und Regeln zu ihrer Anwendung.

Die Ausprägungen qualitativer Merkmale können als Deskriptoren betrachtet werden. Falls ein Merkmal sehr viele verschiedene Ausprägungen hat, ist es praktisch, die Ausprägungen zu ordnen. Die Dokumentationssprache bildet dann ein Ordnungssystem. Dokumentationssprachen schränken die Freiheit des Ausdrucks ein. Häufig wird statt des vollständigen Schreibweise des Deskriptors nur eine verkürzende Notation (Schlüsselwert) aufgezeichnet.

Beispiel:

Krankheit
Schlüsselwert
Alkoholische Fettleber
K70.0
Alkoholische Hepatitis
K70.1
Alkoholische Fibrose und Sklerose der Leber
K70.2
Alkoholische Leberzirrhose
K70.3
Alkoholisches Leberversagen
K70.4

Am häufigsten wird eine hierarchische Ordnung benutzt. Hierarchische Strukturen entstehen durch

Klassifikationen sind Ordnungssysteme, die auf dem Prinzip der Klassenbildung beruhen. Dabei werden Begriffe in Klassen zusammengefasst, die in mindestens einem (klassenbildenden) Merkmal übereinstimmen.

Beispiel: Alle Krankheiten mit bekanntem mikrobiologischem Erreger werden in der Klasse "Infektionskrankheiten" zusammengefasst.

Man muss darauf achten, dass sich die Klassen nicht überschneiden und dass das gesamte Gebiet umfasst wird. Diese Eigenschaften heißen wie bei Merkmalen disjunkt und erschöpfend. Nur so kann jeder Begriff genau einer Klasse zugeordnet, d.h. klassiert werden. In einer hierarchischen Klassifikation gibt es Überbegriffe, Unterbegriffe und gleichgeordnete Begriffe. Der hierarchisch höchste Begriff heißt auch Allbegriff.

Wird den einzelnen Klassen eine formale Notation zugeordnet, so nennt man dies einen Schlüsselwert. Alle Schlüsselwerte zusammen bilden einen Schlüssel (oder Code). Für die Dokumentation genügt es dann, die entsprechende Klasse und ihren Schlüsselwert zu ermitteln und festzuhalten. Diesen Vorgang nennt man verschlüsseln.

Beispiel: Hierarchie für Bronchialkarzinome (Ausschnitt)

Der Vergleich zeigt, dass unterschiedliche klassenbildende Merkmale benutzt werden. Im ersten Fall werden die Tumoren nach histologisch-zytologischen Kriterien geordnet, bei der ICD-10 nach der Lokalisation. Die Erkrankung wird also in verschiedenen semantischen Bezugssystemen (auch Achsen oder Dimensionen genannt) klassiert (siehe unten).

Für einen Patienten mit einem Bronchial-Karzinom im Hauptbronchus würde also - bei Anwendung der ICD-10 - für das Merkmal Krankheit der Schlüsselwert C34.0 dokumentiert.

Bei der Ordnung von Begriffen treten folgende Probleme auf. Bei Homonymen ergibt sich die aktuelle Bedeutung aus dem Kontext oder man muss die Bedeutung zusätzlich angeben. So hat der Begriff "Bruch" in der Medizin eine andere Bedeutung als in der Mathematik und sogar in der Medizin gibt es zwei Bedeutungen (Fraktur und Hernie).

Größere Probleme bereiten die Synonyme, wenn es für den gleichen Begriff verschiedene Bezeichnungen gibt. Man unterscheidet:

Die Behandlung von Synonymen in einer Dokumentation muss geplant werden. Insbesondere beim Retrieval führen sie zu Schwierigkeiten, weil ein Begriff nur mit einer Benennung dokumentiert wird und dann unter einem Synonym nicht wiedergefunden werden kann. Dieses Problem kann man dadurch lösen, dass man nach allen Synonymen sucht, dass man vorab für die Verwendung der einzelnen Begriffe in der Dokumentation Benennungsregeln festlegt oder indem man in das Ordnungssystem entsprechende Verweise einbaut. In letztgenannten Fall spricht man auch von einem Thesaurus (siehe Abschnitt Literaturdokumentation).

Klassifikationen eigenen sich für patienten-übergreifende Fragestellungen (z.B. alle Fälle mit AIDS in den letzten drei Monaten) oder zum Wiederfinden gleichartiger Dokumentationsobjekte (z.B. Daten aller Patienten, bei denen eine Laryngektomie durchgeführt wurde). Mit der Verwendung von Klassifikationen erhält man auf übergeordnetem Niveau eine Vergleichbarkeit der dokumentierten Daten, wobei der Nutzen davon abhängt, ob die in eine Klasse zusammengefassten Objekte als "gleichwertig" im Sinne der Aufgabenstellung angesehen werden können. Nachteile bestehen in der ausschließlichen Verwendung vorgegebener Bezeichnungen und einem Informationsverlust durch das geforderte eindeutige Klassieren.

Wichtige medizinische Klassifikationen

Internationale Klassifikation der Krankheiten                   

Die wichtigste Klassifikation für klinische Diagnosen ist die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, ICD). Sie wird von der WHO (World Health Organization) herausgegeben und weltweit für die Diagnosendokumentation, Todesursachenstatistik und andere medizinische Statistiken verwendet.

Erste Versuche mit einer Klassifikation von Krankheiten bzw. Todesursachen gab es bereits im 18. Jahrhundert. So hat der Probst Johann Peter Süßmilch (1707-1767) eine Todesursachenstatistik für Berlin mit mehr als 80.000 Fällen veröffentlicht. Im 19. Jahrhundert wurde versucht, die Kenntnis über die Häufigkeit verschiedener Todesursachen in soziale Maßnahmen einfließen zu lassen. 1893 wurde im Auftrag des Internationalen Statistischen Instituts von dem Direktor des statistischen Amtes von Paris, Dr. Jacques Bertillot, ein systematisches Todesursachen-Verzeichnis vorgelegt, in das Erfahrungen aus Frankreich, England, Deutschland und der Schweiz eingingen. Als Grundlage diente das Prinzip der Unterscheidung zwischen Allgemeinkrankheiten und lokalisierten Organerkrankungen. Bis 1938 gab es fünf Revisionen dieses Todesursachen-Verzeichnisses. Seit 1946 liegt die Verantwortung für die ICD bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. Neben der Definition des Verzeichnisses (6. Revision) einigte man sich damals auch auf internationale Vorschriften zur Feststellung des Grundleidens und auf die Annahme eines umfassenden Programms der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bevölkerungs- und Gesundheitsstatistik.

Nach umfangreichen Vorarbeiten zu Inhalt, Aufbau und Verwendungszweck der ICD wurde 1987 die 10. Revision (ICD-10) von der WHO-Vollversammlung verabschiedet. Diese Version wird weltweit für die Gesundheitsstatistik verwendet und erlaubt damit Vergleiche zwischen einzelnen Ländern. Die deutsche Fassung wird von dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln herausgegeben. Für die Todesursachenstatistik wird die ICD-10 in Deutschland seit dem 1.1.1998 eingesetzt (ICD-10-WHO). Die aktuelle Fassung für die stationäre und vertragsärztliche ambulante Gesundheitsversorgung wird als Version ICD-10-GM (German Modification) bezeichnet. Sie enthält eine Reihe von Modifikationen für das deutsche Gesundheitssystem, insbesondere Anpassungen für die Abrechnung stationärer Leistungen mit dem diagnose-orientierten Fallpauschalensystem (DRG-System).

Die ICD-10 ist als numerische (d.h. Gliederung nach Schlüsseln) und alphabetische (d.h. Gliederung nach Krankheitsbezeichnungen) Klassifikation zusammen mit den Regeln ihrer Anwendung im Buchhandel erhältlich. Die alphabetische Klassifikation wird auch als Diagnosenthesaurus bezeichnet. Die aktuelle Version der ICD-10 kann in beiden Formen auf der WWW-Seite des DIMDI gelesen werden.

Die ICD-10 gliedert sich in 22 Kapitel mit ungefähr 240 Krankheitsgruppen. Die Notation ist alphanumerisch, drei-, vier- oder fünfstellig, wobei das erste Zeichen ein Buchstabe ist und die restlichen Zeichen Ziffern sind. Die vierte und fünfte Stelle werden üblicherweise mit einem Punkt abgetrennt, der nicht als Stelle gezählt wird (siehe Beispiele). Um bei zukünftigen Revisionen größere Umstellungen zu vermeiden und um Erweiterungen zu ermöglichen, wurden nicht alle dreistelligen Codes vergeben ("Lücken" in der dreistelligen Systematik). Um anzuzeigen, dass es in der vierstelligen Systematik weitere Unterklassen gibt, wird die dreistellige Notation mit ".-" ergänzt (z.B. I20.-).

Die Einteilung innerhalb der einzelnen Klassen erfolgt nach verschiedenen semantischen Bezugssystemen. So werden z.B. Infektionskrankheiten ätiologisch nach Erregern, Neubildungen topographisch nach Organsystemen und psychiatrische Erkrankungen nosologisch nach Art der Krankheit klassifiziert. Die Klassenbildung ergibt sich überwiegend durch die Prävalenz, d.h. häufig auftretende Krankheiten bekommen eine eigene Klasse, seltene Krankheiten werden einer vorhandenen Klasse beigefügt.

Die Klassierungsregeln sind relativ aufwendig mit eigens festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien (siehe Beispiel). In bestimmten Fällen ist auch eine Doppelklassierung nach Grunderkrankung (+) und lokaler Manifestation (*) möglich (Kreuz-Stern-Klassierung, siehe Beispiel). Ein angehängtes Kreuz steht für den ätiologischen oder pathologischen Aspekt, ein Stern für den topologischen Aspekt.

In der Version ICD-10-GM können zur Angabe der Seitenlokalisation folgende Buchstaben angehängt werden: R für rechts, L für links und B für beiderseits. Außerdem sind Schlüssel, die nur zusätzlich verwendet werden dürfen, mit einem Ausrufezeichen versehen. Beispielsweise kann die Diagnose "Humerusschaftfraktur" (S42.3) durch die Angabe "Offene Fraktur oder Luxation 1. Grades des Oberarms" (S41.87!) ergänzt werden. Außerdem wurde für neue Krankheitsbilder der bisher freigehaltene Buchstabe U benutzt, z.B. U04.9! für schweres akutes respiratorisches Syndrom (SARS).

Diagnosen müssen nach ICD-10 verschlüsselt werden im Rahmen der Dokumentation der Krankenhausbehandlung nach §301 SGB V und zur Abrechnung nach DRGs sowie auf Abrechnungsunterlagen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Aufbau der ICD-10 (Beispiele aus Kapitel II: Neubildungen):

Kapitel Neubildungen (C00-D48)
Gruppe Bösartige Neubildungen (C00-C97)
Untergruppe Bösartige Neubildungen der Lippe, der Mundhöhle und des Pharynx (C00-C14)
Kategorie C00.- Bösartige Neubildung der Lippe
Subkategorie C00.0 Äußere Oberlippe
C00.1 Äußere Unterlippe
...
Kategorie C01 Bösartige Neubildung des Zungengrundes
  ...
Untergruppe Bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane (C15-C26)
  ...

Übersicht ICD-10

Kapitel Bezeichnung
dreistelliger Code
I
Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten
A00-B99
II
Neubildungen
C00-D48
III
Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bestimmte Störungen mit Beteiligung des Immunsystems
D50-D90
IV
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten
E00-E90
V
Psychische und Verhaltensstörungen
F00-F99
VI
Krankheiten des Nervensystems
G00-G99
VII
Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde
H00-H59
VIII
Krankheiten des Ohres und des Warzenfortsatzes
H60-H95
IX
Krankheiten des Kreislaufsystems
I00-I99
X
Krankheiten der Atmungssystems
J00-J99
XI
Krankheiten der Verdauungssystems
K00-K93
XII
Krankheiten der Haut und der Unterhaut
L00-L99
XIII
Krankheiten des Muskel-Skelettsystems und des Bindegewebes
M00-M99
XIV
Krankheiten des Urogenitalsystems
N00-N99
XV
Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett
O00-O99
XVI
Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben
P00-P96
XVII
Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien
Q00-Q99
XVIII
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind
R00-R99
XIX
Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen
S00-T98
XX
Äußere Ursachen von Morbidität und Mortalität
V01-Y84
XXI
Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen
Z00-Z99
XXII
Schlüsselnummern für besondere Zwecke
U00-U99

Beispiele:

C07 Bösartige Neubildung der Parotis
C08 Bösartige Neubildung sonstiger und nicht näher bezeichneter großer Speicheldrüsen
C08.0 Glandula submandibularis
C08.1 Glandula sublingualis
C08.8 Große Speicheldrüse, mehrere Teilbereiche überlappend
C08.9 Große Speicheldrüse, nicht näher bezeichnet
N10-N16 Tubulointerstitielle Nierenkrankheiten
N10  Akute tubulointerstitielle Nephritis
N11 Chronische tubulointerstitielle Nephritis
N11.0 Nichtobstruktive, mit Reflux verbundene chronische Pyelonephritis
N11.1 Chronische obstruktive Pyelonephritis
N11.8 Sonstige chronische tubulointerstitielle Nephritis
N11.9 Chronische tubulointerstitielle Nephritis, nicht näher bezeichnet
N12 Tubulointerstitielle Nephritis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet
N13 Obstruktive Uropathie und Refluxuropathie
N13.0 Hydronephrose bei ureteropelviner Obstruktion
N13.1 Hydronephrose bei Ureterstriktur, anderenorts nicht klassifiziert
N13.2 Hydronephrose bei Obstruktion durch Nieren- und Ureterstein
N13.3 Sonstige und nicht näher bezeichnete Hydronephrose
N13.4 Hydroureter
N13.5 Abknickung und Striktur des Ureters ohne Hydronephrose
N13.6 Pyonephrose
N13.7 Uropathie in Zusammenhang mit vesikoureteralem Reflux
N13.8 Sonstige obstruktive Uropathie und Refluxuropathie
...
M16.9 Koxarthrose, nicht näher bez.
M17.9 Gonarthrose, nicht näher bez.
S51.9 L Offene Wunde am linken Unterarm
N26 B Schrumpfniere beiderseits
Z86.7 Zustand nach Apoplex (Krankheiten der Kreislaufsystems in der Eigenanamnese)
Z03.4 Beobachtung bei Verdacht auf Herzinfarkt

Beispiel: Fünfte Stelle
Bei einigen Krankheiten und Verletzungen kann in der fünften Stelle der Ort oder die Art der Verletzung spezifiziert werden (Subklassifikation):

M19.91 Schultergelenksarthrose, nicht näher bezeichnet
M41.24 Idipathische Skoliose beim Kind im Thorakalbereich
S01.54 Offene Wunde an Zunge oder Mundboden
S06.02 Gehirnerschütterung mit kurzer Bewusstlosigkeit, weniger als 30 Minuten
T21.33 Verbrennung oder Verätzung 3. Grades der Bauchdecke

Beispiel: Ein- und Ausschlusskriterien
I80.- Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis

einschl.: Endophlebitis
Periphlebitis
Phlebitis suppurativa
Venenentzündung
ausschl.: Als Komplikation bei
- Abort, Extrauterin- oder Molenschwangerschaft (O00-O07, O08.7)
- Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett (O22.-, O87.-)
intrakraniell, nichteitrig (I67.6)
  ...

Beispiel: Kreuz-Stern-Klassierung

A54.8 Sonstige Gonokokkoninfektionen
Endokarditis+ (I39.8*)
Hautläsionen
...
Pneumonie+ (J17.0*)
...
J17.0* Pneumonie bei anderenorts klassifizierten bakteriellen Krankheiten
Pneumonie bei:
- Aktinomykose (A42.0+)
- Gonorrhoe (A54.8+)
...

Klassifikationen für Prozeduren

Während die ICD als Klassifikation für Krankheiten allgemein anerkannt ist, gab es bis vor kurzem in Deutschland keine standardisierte Klassifikation für medizinische Maßnahmen. Für die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben wurde ein Prozedurenschlüssel entwickelt, der die Bezeichnung OPS (Operationenschlüssel) trägt. Grundlage dieses Schlüssels ist die International Classification of Procedures in Medicine (ICPM), die 1978 von der WHO für Forschungszwecke herausgegeben wurde. Während die ICPM in neun Kapiteln alle medizinischen Maßnahmen umfasst, beschränkt sich der OPS auf die Kapitel 1, 3, 5, 6, 8 und 9. Die folgende Tabellen geben einen Überblick.

Überblick ICPM

Kapitel
Bezeichnung
1
Diagnostische Maßnahmen
2
Labormaßnahmen
3
Bildgebende Diagnostik
4
Präventive Maßnahmen
5
Operationen
6, 7
Drogen, Arzneimittel und sonstige biologisch aktive Substanzen
8
Nichtoperative therapeutische Maßnahmen
9
Ergänzende Maßnahmen

Übersicht OPS

Kapitel 1 Diagnostische Maßnahmen
1-10...1-10 Klinische Untersuchung
1-20...1-33 Untersuchung einzelner Körpersysteme
1-40...1-49 Biopsie ohne Inzision
1-50...1-58 Biopsie durch Inzision
1-61...1-69 Diagnostische Endoskopie
1-70...1-79 Funktionstests
1-84...1-85 Explorative diagnostische Maßnahmen
1-90...1-99 Andere diagnostische Maßnahmen
Kapitel 3 Bildgebende Diagnostik
3-05...3-05 Ultraschalluntersuchungen
3-10...3-13 Projektionsradiographie
3-20...3-26 Computertomographie (CT)
3-30...3-30 Optische Verfahren
3-60...3-69 Darstellung des Gefäßsystems
3-70...3-76 Nuklearmedizinische diagnostische Verfahren
3-80...3-84 Magnetresonanztomographie (MRT)
3-90...3-90 Andere bildgebende Verfahren
3-99...3-99 Zusatzinformationen zu bildgebenden Verfahren
Kapitel 5 Operationen
5-01...5-05 Operationen am Nervensystem
5-06...5-07 Operationen an endokrinen Drüsen
5-08...5-16 Operationen an den Augen
5-18...5-20 Operationen an den Ohren
5-21...5-22 Operationen an Nase und Nasennebenhöhlen
5-23...5-28 Operationen an Mundhöhle und Gesicht
5-29...5-31 Operationen an Pharynx, Larynx und Trachea
5-32...5-34 Operationen an Lunge und Bronchus
5-35...5-37 Operationen am Herzen
5-38...5-39 Operationen an den Blutgefäßen
5-40...5-41 Operationen am hämatopoetischen und Lymphgefäßsystem
5-42...5-54 Operationen am Verdauungstrakt
5-55...5-59 Operationen an den Harnorganen
5-60...5-64 Operationen an den männlichen Geschlechtsorganen
5-65...5-71 Operationen an den weiblichen Geschlechtsorganen
5-72...5-75 Geburtshilfliche Operationen
5-76...5-77 Operationen an Kiefer- und Gesichtsschädelknochen
5-78...5-86 Operationen an den Bewegungsorganen
5-87...5-88 Operationen an Mamma
5-89...5-92 Operationen an Haut und Unterhaut
5-93...5-99 Zusatzinformationen zu Operationen
Kapitel 6 Medikamente
6-00...6-00 Applikation von Medikamenten
Kapitel 8 Nichtoperative therapeutische Maßnahmen
8-01...8-02 Applikation von Medikamenten und Nahrung und therapeutische Injektion
8-03...8-03 Immuntherapie
8-10...8-11 Entfernung von Fremdmaterial und Konkrementen
8-12...8-13 Manipulationen an Verdauungstrakt und Harntrakt
8-14...8-17 Therapeutische Katheterisierung, Aspiration, Punktion und Spülungen
8-19...8-19 Verbände
8-20...8-22 Geschlossene Reposition und Korrektur von Deformitäten
8-31...8-39 Immobilisation und spezielle Lagerung
8-40...8-41 Knochenextension und andere Extensionsverfahren
8-50...8-51 Tamponade von Blutungen und Manipulation an Fetus oder Uterus
8-52...8-54 Strahlentherapie, nuklearmedizinische Therapie und Chemotherapie
8-55...8-60 Frührehabilitative und physikalische Therapie
8-63...8-66 Elektrostimulation und Elektrotherapie
8-70...8-74 Maßnahmen für das Atmungssystem
8-77...8-77 Maßnahmen im Rahmen der Reanimation
8-80...8-85 Maßnahmen für den Blutkreislauf
8-90...8-91 Anästhesie und Schmerztherapie
8-92...8-93 Patientenmonitoring
8-97...8-98 Komplexbehandlung
Kapitel 9 Ergänzende Maßnahmen
9-26...9-28 Geburtsbegleitende Maßnahmen und Behandlung wegen Infertilität
9-31...9-32 Phoniatrische und pädaudiologische Therapie
9-40...9-41 Psychosoziale, psychosomatische, neuropsychologische und psychotherapeutische Therapie
9-50...9-50 Präventive Maßnahmen

Die Schlüsselwerte des OPS sind bis zu sechsstellig, in den ersten vier Stellen numerisch, wobei die erste Stelle das Kapitel angibt und vom Rest mit einem "-" abgetrennt wird, und in der fünften und sechsten Stelle alphanumerisch, d.h. in der fünften und sechsten Stelle können auch Buchstaben vorkommen. Die letzten beiden Stellen dienen der genaueren Differenzierung und werden durch einen Punkt abgetrennt. Durchgängig bedeutet ein "x" an fünfter oder sechster Stelle "sonstige Prozeduren", ein "y" "nicht näher bezeichnete Prozeduren".

Die Gliederung im Kapitel 5 ist topographisch, in den anderen Kapiteln werden die Prozeduren einfach aufgezählt. Ein- und Ausschlusskriterien sowie Hinweise sind jeweils auf der höchstmöglichen Hierarchieebene angegeben. Daraus folgt, dass der dem fünfstelligen Code zugeordnete Text nicht allein interpretierbar ist, sondern nur in Verbindung mit dem Oberbegriff (im Beispiel Cholezystektomie). Komplexe Eingriffe (z.B. im Bereich der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie), mikrochirurgische Eingriffe, intraoperative Komplikationen, Mehrfach-Verletzungen, Abbruch einer OP oder Re-Operation erfordern Mehrfachnotationen. Die aktuelle Version des OPS kann auf der WWW-Seite des DIMDI gelesen werden.

Beispiele:

5-511  Cholezystektomie
5-511.0 Einfach, offen chirugisch
5-511.01 ohne operative Revision der Gallengänge
5-511.02 mit operativer Revision der Gallengänge
5-511.1 Einfach, laparoskopisch
5-511.11 ohne laparoskopische Revision der Gallengänge
5-511.12 mit laparoskopischer Revision der Gallengänge
5-511.2 Einfach, Umsteigen laparoskopisch - offen chirurgisch
...
5-511.3 Erweitert
Inkl.: Leberbettresektion
5-511.x  Sonstige
5-511.y Nicht näher bezeichnet
   
1-275.1 (Transarterielle Linksherz-Katheteruntersuchung:) Koronarangiographie und Druckmessung im linken Ventrikel
1-412.0 Biopsie ohne Inzision am Augenlid und Augenbraue
3-051 Endosonographie des Ösophagus
8-016 Parenterale Ernährungstherapie als medizinische Hauptbehandlung
8-910 Epidurale Injektion und Infusion zur Schmerztherapie
9-270.0 Intrauterine Insemination
9-320  Therapie organischer und funktioneller Störungen der Sprache, des Sprechens, der Stimme und des Schluckens

Mittlerweile gibt es eine Reihe von Computerprogrammen, die bei der Verschlüsselung helfen können. Die Programme bieten neben dem numerischen und alphabetischen Suchen, wie es mit Büchern möglich ist, komfortable Abfragemöglichkeiten. Grundsätzlich kann man einen Schlüsselwert eingeben und erhält dazu den Text oder man gibt den Text oder Teile des Textes an und erhält den Schlüsselwert. Manche Programme führen dabei eine Klartextanalyse durch, d.h. sie liefern auch zu freitextlicher Formulierung passende Schlüsselwerte. Darüber hinaus kann man eine eigene Textdatei aufbauen (sog. Expertenliste), die Kürzel oder Synonyme für vorhandene Einträge enthält. Das Programm kann dann bei Eingabe von Begriffen aus der Liste automatisch den richtigen Schlüsselwert finden. Solche Programme sind auch in die Software integriert, mit der die elektronische Patientenakte geführt wird, und ermöglichen die schnelle und komfortable Verschlüsselung von Diagnosen und Prozeduren (vgl. Abschnitt Medizinische Dokumentation im Krankenhaus).

Anwendungen von ICD-10 und OPS

Gesundheitsberichterstattung

Anzahl der Sterbefälle nach ICD-10 dreistellig (Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes)

 
2005
2006
2007
A00-T98 Alle Krankheiten und Folgen äußerer Ursachen 830.227 821.627 827.155
A00-B99 Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten 12.061 12.354 13.890
C00-D48 Neubildungen 216.419 217.095 217.289
D50-D90 Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bestimmte Störungen mit Beteiligung des Immunsystems 2.123 2.044 2.136
E00-E90 Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten 28.271 26.624 26.377
F00-F99 Psychische und Verhaltensstörungen 11.356 14.145 15.460
G00-H95 Krankheiten des Nervensystems und der Sinnesorgane 18.565 19.411 18.283
I00-I99 Krankheiten des Kreislaufsystems 367.361 358.953 358.684
J00-J99 Krankheiten des Atmungssystems 57.742 54.888 57.956
00-K93 Krankheiten des Verdauungssystems 42.787 42.973 42.163
L00-L99 Krankheiten der Haut und der Unterhaut 607 677 820
M00-M99 Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes 2.024 2.282 2.189
N00-N99 Krankheiten des Urogenitalsystems 14.288 15.087 16.624
O00-O99 Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett 28 41 28
P00-P96 Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben 1.341 1.390 1.464
Q00-Q99 Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien 1.528 1.473 1.451
R00-R99 Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die andernorts nicht klassifiziert sind 20.193 19.978 21.691
S00-T98 Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen 33.024 32.212 30.650
Diagnose-orientiertes Fallpauschalensystem (Diagnosis Related Groups, DRG-System)

Das Abrechnungssystem für Leistungen im Krankenhaus beruhte bis vor kurzem auf einer Mischung aus Fallpauschalen, Sonderentgelten und abteilungsspezifischen Pflegesätzen (Tagessätzen). Ab dem 1.1.2004 wurde es auf ein System umgestellt, in dem die Kosten für alle während eines Patientenaufenthalts anfallenden Leistungen pauschal auf Grund der Einordnung in diagnosenbezogene Gruppen (Diagnosis Related Groups, DRGs) ermittelt und abgerechnet werden. Die Grundidee dabei ist, alle stationären Behandlungsfälle in aufwandshomogene Gruppen einzuteilen, d.h. in Gruppen, bei denen der gleiche Behandlungsaufwand besteht und dafür das gleiche Entgelt von den Kostenträgern gezahlt wird.
Eine erste Version der DRGs wurde 1977 in den USA an der Yale-Universität entwickelt und bei der staatlichen Seniorenversicherung (Health Care Finance Administration: HCFA-DRG) eingeführt. Durch Einbeziehung von Krankheiten von Kindern, Mehrfachverletzungen und weiteren Merkmalen sowie von Nebendiagnosen und Komplikationen entstanden seit 1980 die AP-DRGs (All Patient-DRG). Diese Klassifikation war Vorbild für viele andere Ländern. Das deutsche DRG-System heißt G-DRG.

Die Klassifizierung, d.h. die Zuordnung zu einer Gruppe, erfolgt im wesentlichen auf Grund der Diagnosen und Prozeduren. Weitere relevante Merkmale sind Alter und Geschlecht, die Aufenthaltsdauer, die Entlassungsart, die Beatmungszeit (falls der Patient beatmet werden musste) und das Geburtsgewicht bei Neugeborenen. Hauptdiagnose ist die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist. Nebendiagnose ist eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt. Hauptprozedur ist die wichtigste ("signifikanteste") Prozedur, die zur Behandlung der Hauptdiagnose durchgeführt wurde. Sie sollte an erster Stelle angegeben werden. Eine Prozedur ist signifikant, wenn sie chirurgischer Natur ist, ein Eingriffsrisiko oder ein Anästhesierisiko birgt, oder Spezialeinrichtungen oder -geräte oder spezielle Ausbildung erfordert. Prozeduren, die normalerweise nicht verschlüsselt werden sind u.a.: Gipsverbände, Kardiotokographie, Langzeit-EKG, Blutentnahme, Lungenfunktionstest, Blutgasanalyse in Ruhe. Einzelheiten der Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren für DRGs mit ICD-10 und OPS sind definiert in den "Deutschen Kodierrichtlinien".

Nebendiagnosen können zu einem unterschiedlichen Aufwand innerhalb einer DRG führen. Deshalb wird zunächst jeder Nebendiagnose ein Schweregrad zugewiesen (CCL = Complication and Comorbidity Level) und zwar CCL=

0 Nebendiagnose zählt nicht als Begleiterkrankung oder Komplikation
1 leichte Begleiterkrankung
2 mittlere Begleiterkrankung
3 schwerwiegende Begleiterkrankung
4 sehr schwerwiegende Begleiterkrankung

Um den Einfluss der Nebenerkrankungen auf den Gesamtschweregrad zu bestimmen, wird aus den einzelnen CCLs für jede Behandlungsepisode eines Patienten der PCCL (Patient Clinical Complexity Level) als Maß für den kumulativen Effekt berechnet.
Die Codierung der DRGs wird folgendermaßen gebildet: die erste Stelle ergibt sich durch die Hauptgruppe, gekennzeichnet durch einen Buchstaben. Die zweite und dritte Stelle entspricht der Basis-DRG, wobei 01-39 für chirurgische DRGs, 40-59 für nicht-chirurgische DRGs und 60-99 für "medizinische" DRGs vorgesehen ist. Die vierte Stelle enthält die Aufteilung nach PCCL und/oder Alter (Buchstabe A bis D). Beispiel: E69A bedeutet eine DRG aus dem Bereich "Krankheiten und Störungen des Atmungssystems", und zwar Bronchitis und Asthma bronchiale (69), wobei A den höchsten Aufwand bezeichnet. Die Ermittlung von DRGs aus den relevanten Merkmalen erfolgt mit Hilfe von Computerprogrammen, sog. Grouper. Die Universität Münster hat für Übungszwecke einen WWW-Grouper entwickelt.

Beispiele (siehe auch DRG-Seite der Universität Münster):
E01A     Revisionseingriffe, beidseitige Lobektomie, erweiterte Lungenresektionen und andere komplexe Eingriffe am Thorax mit Revisionseingriff, beidseitiger Lobektomie, erweiterter Lungenresektion oder Endarteriektomie der A. pulmonalis
E01B     Revisionseingriffe, beidseitige Lobektomie, erweiterte Lungenresektionen und andere komplexe Eingriffe am Thorax mit anderem komplexen Eingriff am Thorax oder Endarteriektomie der A. pulmonalis
E41Z     Frührehabilitation bei Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane
E60A     Zystische Fibrose (Mukoviszidose), Alter < 16 Jahre
E60B     Zystische Fibrose (Mukoviszidose), Alter > 15 Jahre
E62A     Komplexe Infektionen und Entzündungen der Atmungsorgane mit komplizierenden Prozeduren oder mit komplexer Diagnose bei Zustand nach Organtransplantation
E62B     Komplexe Infektionen und Entzündungen der Atmungsorgane ohne komplizierende Prozeduren, ohne komplexe Diagnose bei Zustand nach Organtransplantation, mit komplexer Diagnose und äußerst schweren CC
E63Z     Schlafapnoesyndrom
E66Z     Schweres Thoraxtrauma
E69A     Bronchitis und Asthma bronchiale, mehr als ein Belegungstag mit äußerst schweren oder schweren CC, Alter < 1 Jahr
E69B     Bronchitis und Asthma bronchiale, mehr als ein Belegungstag und Alter > 55 Jahre oder mit äußerst schweren oder schweren CC, Alter > 0 Jahre
E69C     Bronchitis und Asthma bronchiale, Alter < 1 Jahr und ein Belegungstag oder ohne äußerst schwere oder schwere CC
E69D     Bronchitis und Asthma bronchiale, Alter > 0 Jahre und Alter < 6 Jahre und ein Belegungstag oder ohne äußerst schwere oder schwere CC oder Störungen der Atmung mit Ursache in der Neonatalperiode
E69E     Bronchitis und Asthma bronchiale, Alter > 5 Jahre, ein Belegungstag oder Alter > 5 Jahre und Alter < 16 Jahre, ohne äußerst schwere oder schwere CC oder Beschwerden und Symptome der Atmung ohne komplexe Diagnose

Eine 69-jähriger Patient mit KHK (3-Gefäß-Erkrankung: I25.13), Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei leichterer Belastung (I50.13) und chronischer Niereninsuffizienz (Stadium III: N18.83) wird eine Herzkatheteruntersuchung (1-275.0) durchgeführt. Als Komplikationen des Eingriffs treten auf: eine Blutung (T81.0) und eine Infektion (T81.4). Wenn alle Diagnosen und die Prozedur dokumentiert werden, ergibt sich die DRG F49B "Invasive kardiologische Diagnostik außer bei akutem Myokardinfarkt, mehr als 2 Belegungstage, mit äußerst schweren CC, ohne komplexen Eingriff" mit einem Kostengewicht von 1,831. Wird jedoch "vergessen", die chronische Niereninsuffizienz zu dokumentieren, so ergibt sich die DRG F49E "Invasive kardiologische Diagnostik außer bei akutem Myokardinfarkt, mehr als 2 Belegungstage, ohne äußerst schwere CC, Alter > 14 Jahre, ohne kardiales Mapping, ohne komplexen Eingriff" mit einem Kostengewicht von 0,795, d.h. der Erlös ist etwa 57% geringer. Daran ist zu erkennen, wie der Erlös von einer sorgfältigen medizinischen Dokumentation abhängt, d.h. mit Einführung des DRG-Systems müssen die Ärzte zusätzlich ökonomische Verantwortung übernehmen, indem sie die Daten für die Ermittlung der DRGs zuverlässig dokumentieren.

Mehrdimensionale Klassifikationen                           

Nachteilig an den bisher vorgestellten Klassifikationen ist die Tatsache, dass sie einachsig sind (obwohl innerhalb der einzelnen Klassen verschiedene semantische Bezugssysteme verwendet werden!). Das bedeutet z.B. bei Verwendung der ICD, dass eine Krankheit nur in eine Klasse eingeordnet werden darf und damit genau ein Schlüsselwert resultiert. Viele Krankheiten lassen sich jedoch nach mehreren Gesichtspunkten, z.B. dem Ort ihrer Entstehung oder der Art der Krankheit, ordnen. So kann z.B. bei einer Infektion der Erreger mit dem entsprechenden Code aus dem Kapitel "Infektionskrankheiten" zusätzlich angegeben werden.

Wenn Begriffe nach mehreren Gesichtspunkten parallel klassifiziert werden, so spricht man von einer mehrdimensionalen (oder mehrachsigen) Klassifikation. Für die Dokumentation von Krankheiten können folgende Dimensionen von Interesse sein: Patientenbeschreibung (z.B. bestehend aus Alter, Geschlecht oder Beruf), Lokalisation, pathologischer Prozess, diagnostisches Verfahren, Therapie und Komplikationen. In der ICD z.B. dient die Kreuz-Stern-Klassierung dazu, Krankheiten unter zwei verschiedenen Aspekten zu klassifizieren.

Eine wichtige mehrachsige Klassifikation, die bei der Behandlung von Tumorkranken routinemäßig angewendet wird, ist die TNM-Klassifikation. Sie wurde von der Union Internationale Contre le Cancer (UICC) entwickelt. Sie beschreibt ergänzend zur Diagnose in einer Art Kurzschrift die Ausdehnung bösartiger Tumoren mit drei Dimensionen: T für Ausbreitung des Primärtumors (T0 bis T4, ferner TX für nicht beurteilbar und Tis für Carcinoma in situ), N für Fehlen oder Vorhandensein und Ausbreitung von regionären Lymphknotenmetastasen (N0 bis N3, ferner NX für nicht beurteilbar) und M für Fehlen oder Vorhandensein von Fernmetastasen (M0, M1 und MX für nicht beurteilbar). Die Kategorie M1 kann durch eine Ortsangabe genauer spezifiziert werden: Lunge (PUL), Knochenmark (MAR), Knochen (OSS), Pleura (PLE), Leber (HEP), Peritoneum (PER), Hirn (BRA), Nebenniere (ADR), Lymphknoten (LYM), Haut (SKI) und andere Organe (OTH).

Für jede Lokalisation werden zwei Klassifikationen definiert. Die klinische Klassifikation (TNM oder cTNM) basiert auf vor der Behandlung erhobenen Befunden, z.B. auf Grund der klinischen Untersuchung, bildgebender Verfahren, Endoskopie, Biopsie, chirurgischer Exploration. Bei der pathologischen Klassifikation (pTNM) wird der vor der Behandlung festgestellte Befund ergänzt oder abgeändert durch Erkenntnisse, die beim chirurgischen Eingriff oder durch die pathologische Untersuchung gewonnen wurden. Die pathologische Beurteilung des Primärtumors (pT) erfordert eine Resektion des Primärtumors oder Biopsien, die zur Bestimmung der höchsten pT-Kategorie adäquat sind. Die pathologische Beurteilung der regionären Lymphknoten muss regionäre Lymphknotenmetastasen (pN0) verlässlich ausschließen und zur Bestimmung der höchsten pN-Kategorie ausreichen. Die pathologische Feststellung von Fernmetastasen (pM) erfordert die mikroskopische Untersuchung.

Nach der Feststellung von T-, N- und M- und/oder pT-, pN- und pM-Kategorien können diese zu Stadien gruppiert werden. Das klinische Stadium ist wesentlich für die Wahl und die Beurteilung von Therapieverfahren ohne Tumorresektion, das pathologische Stadium liefert die genauesten Daten zur Abschätzung der Prognose und zur Berechnung der Behandlungsergebnisse.

Im Falle multipler simultaner Tumoren in einem Organ soll der Tumor mit der höchsten T-Kategorie klassifiziert und die Multiplizität oder die Anzahl der Tumoren in Klammern angegeben werden, z.B. T2(m) oder T2(5). Bei simultanen bilateralen Krebsen paariger Organe soll jeder Tumor für sich klassifiziert werden. Bei Tumoren der Schilddrüse, der Leber, des Ovars und des Eileiters ist der Faktor Multiplizität ein Kriterium der T-Klassifikation.

Definitionen der TNM-Klassifikation und der Stadiengruppierungen können für klinische oder wissenschaftliche Zwecke erweitert werden, solange die vorgegebenen Definitionen nicht geändert werden. So kann jedes T, N oder M in Untergruppen, z.B. T2a, T2b und T2c, unterteilt werden.

Optional kann man den sogenannten C-Faktor (Certainty-Faktor) verwenden, der genauere Hinweise auf die diagnostische Methode gibt, mit der die Einstufung im TNM-System erfolgte. C1 bedeutet dabei normale diagnostische Verfahren wie Inspektion, Palpation, Radiographie und Endoskopie, C2 spezielle diagnostische Verfahren wie CT, Ultraschall, Angiographie, Szintigraphie oder MRT, C3 chirurgische Diagnose einschließlich Biopsie und Zytologie, C4 chirurgische Diagnose mit pathologischer Untersuchung einer Probe (entspricht also dem Zusatz p), C5 Autopsiebefund.

Bei der Anwendung des TNM-Systems ist zu beachten, dass die Ausprägungen in den Dimensionen für die einzelnen Tumoren unterschiedlich sind, d.h. die Interpretation der Schlüsselwerte ist nur mit Angabe des Primärtumors möglich. So gibt es z.B. bei Knochentumoren nur die Ausprägungen T1 und T2 während bei Lebertumoren die Ausprägungen T1 bis T4 möglich sind. Die genaue Einstufung wird mit Hilfe eines TNM-Atlas festgelegt.

Beispiele:

Larynx-Ca TNM T2 C3 N2b C3 M0 C2 bedeutet: Es handelt sich um ein Karzinom der Supraglottis, das mehr als einen Unterbezirk infiltriert, aber die Stimmbänder beweglich lässt (T2). Befallen sind mehrere Halslymphknoten, keiner davon hat eine größere Ausdehnung als 6 cm (N2b). Die Untersuchung des Tumors und der Lymphknoten erfolgte durch chirurgische Exploration einschließlich Biopsie und zytologischer Untersuchung (C3). Bei Anwendung spezieller diagnostischer Verfahren (C2) wurden keine Fernmetastasen gefunden (M0). Es handelt sich um eine prätherapeutische Klassifizierung des Karzinoms (TNM, nicht pTNM).

TNM-Einstufung für die Leber

T1 Solitär, Durchmesser ≤ 2 cm, ohne Gefäßinvasion
T2 Solitär, Durchmesser ≤ 2 cm, mit Gefäßinvasion
Multipel, ein Lappen, Durchmesser ≤ 2 cm, ohne Gefäßinvasion
Solitär, Durchmesser > 2 cm, ohne Gefäßinvasion
T3 Solitär, Durchmesser > 2 cm, mit Gefäßinvasion
Multipel, ein Lappen, Durchmesser ≤ 2 cm, mit Gefäßinvasion
Multipel, ein Lappen, Durchmesser > 2 cm, mit oder ohne Gefäßinvasion
T4 Multipel, mehrere Lappen
Befall eines größeren Astes der V. portae oder Vv. Hepaticae
Invasion von Nachbarorganen (ausgenommen Gallenblase)
Perforation des viszeralen Peritoneums
N1 Regionär

Stadieneinteilung für die Leber

Stadium I T1 N0 M0
Stadium II T2 N0 M0
Stadium IIIA  T3 N0 M0
Stadium IIIB T1 N1 M0
T2 N1 M0
T3 N1 M0
Stadium IVA T4 jedes N M0
Stadium IVB jedes T jedes N M1

Nomenklaturen

Nomenklaturen sind (meist geordnete) systematische Zusammenstellungen von Deskriptoren für eine spezielle Dokumentationsaufgabe. Im Gegensatz zur Klassifikation können sich aber die Begriffsinhalte der Deskriptoren überschneiden. Ein Objekt wird meistens mit mehreren Deskriptoren beschrieben (indexiert, siehe auch Abschnitt Literaturdokumentation). Entscheidend für das Wiederfinden eines Objektes ist, ob die zutreffenden Deskriptoren vollständig ermittelt und dokumentiert wurden. Eine Nomenklatur dient also nicht zum Einordnen, sondern zum eindeutigen und möglichst genauen Beschreiben von Objekten mit dem Ziel, sie zuverlässig wiederfinden zu können.

Wie Klassifikationen können Nomenklaturen geordnet (meistens hierarchisch), mit Notationen versehen oder in mehrere Achsen aufgeteilt sein.

Für die Medizinische Dokumentation wurde eine Nomenklatur entwickelt, mit der auch komplexe medizinische Aussagen verschlüsselt werden können, die Systematisierte Nomenklatur der Medizin (SNOMED, genauer SNOMED II). Sie verwendet die Dimensionen Topographie, Morphologie, Ätiologie, Funktion, Krankheit, Prozedur und Beruf. Innerhalb der Dimensionen ist SNOMED hierarchisch strukturiert. Sie enthält auch Synonyme und Querverweise zwischen den Achsen. Die Schlüsselwerte setzen sich aus einem Buchstaben als Abkürzung für die Achse (z.B. M für Morphologie) und einer duodezimalen fünfstelligen Zahl zusammen (d.h. es werden die Ziffern 0-9 und zusätzlich X für 10 und Y für 11 verwendet).

Beispiele: M417X0, P11300

Kompletter medizinischer Sachverhalt: Ein Schiffskoch (J53150) wird mit den Symptomen Fieber (F03003), Schüttelfrost (F03260) und Diarrhoe (F62400) als Notfall in ein Krankenhaus aufgenommen (P00300). Dort wird eine akute Entzündung (M41000) der Schleimhaut des Magens (T63010) und des Dünndarms (T64000), hervorgerufen durch Salmonella cholerae-suis (E16010), festgestellt und als Gastroenteritis paratyphosa (D01550) diagnostiziert.

Medizinische Aussagen können mit sog. Qualifikatoren genauer beschrieben werden. Dazu gehören z.B. Familienvorgeschichte (FH), Hauptbeschwerde (CC) oder Verdachtsdiagnose (SD).

Beispiele: FH D23810 bedeutet Diabetes in der Familie; CC F02010 Kolik als Hauptbeschwerde.

Trotz ihrer Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Qualität der Verschlüsselung und das Wiederfinden von Informationen wird die SNOMED bisher jedoch nur für Spezialdokumentationen verwendet. Das liegt sicher daran, dass die Verschlüsselung sehr aufwendig ist. Man versucht, diesen Vorgang mit Hilfe von Computerprogrammen zu vereinfachen.


Beispiele: Diagnosen nach ICD und SNOMED verschlüsselt

Diagnose
ICD-10
SNOMED
Vorhofflattern und Vorhofflimmern
I48
F73570
Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet
N39.0
T70100, D00700, DY1614
Chronische obstruktive Lungenkrankheit
J44
MX0105, M34000, F76530

Literaturdokumentation               

In einer Literaturdokumentation werden alle Bücher, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Dissertationen, Aufsätze u.a. über ein bestimmtes Fachgebiet gesammelt. Da die hier zu dokumentierenden Objekte wieder auf andere Informationen (nämlich ihren Inhalt) verweisen, spricht man von indirekter Dokumentation. Neben der individuellen Dokumentation gibt es heute große öffentliche Literaturdatenbanken, die über das Internet zugänglich sind. Die weltweit führende Institution für Informationsdatenbanken in den Biowissenschaften ist die National Library of Medicine (NLM) in Bethesda/USA. Sie betreibt das Literatursystem PubMed (früher: MEDLINE), in dem ein ganze Reihe von biomedizinischen Datenbanken zusammengefasst sind.

Eine medizinische Literaturdatenbank wird aufgebaut, indem medizinische Fachzeitschriften ausgewertet und die dort publizierten Artikel bibliografisch und inhaltlich erfasst werden. Bibliografische Angaben sind z.B. Titel, Autor, Quelle, Jahrgang. Die inhaltliche Erfassung erfolgt mit Hilfe von sog. Abstracts und Deskriptoren. Abstracts sind Zusammenfassungen des Inhalts, die heute fast allen wissenschaftlichen Veröffentlichungen vorangestellt werden. Sie werden meist vollständig erfasst. Deskriptoren oder Schlagworte sind Begriffe, die auf den Inhalt verweisen (es handelt sich also um eine einachsige Nomenklatur). Die Zuordnung von Deskriptoren zu einem Artikel nennt man Indexieren. Wenn beliebige Schlagworte vergeben werden dürfen, spricht man von freiem Indexieren. Beim gebundenen Indexieren ist die Menge der Deskriptoren festgelegt. Dieser Thesaurus ist meistens aus praktischen Gründen geordnet. Er beschreibt die Terminologie eines Fachgebietes und ermöglicht auch die Erfassung von Synonymen bzw. die Kennzeichnung von Homonymen. Bei großen Literaturdatenbanken, auf die viele Benutzer zugreifen sollen, wird ausschließlich gebunden indexiert. So kann man den Thesaurus dem suchenden Benutzer zur Verfügung stellen, damit er mit den gleichen Begriffen recherchieren kann, mit denen indexiert wurde. Ein Thesaurus muss aber in gewissen Zeitabständen dem wissenschaftlichen Fortschritt angepasst werden.

Bei MEDLINE wird ein hierarchisch geordneter Thesaurus verwendet. Er trägt die Bezeichnung Medical Subject Headings (MeSH).

Beispiel: Fundstelle aus MEDLINE

Der Hauptzweck von Literaturdatenbanken ist die Beschaffung von Informationen. Das Wiederfinden von Information allgemein heißt Retrieval, ein konkreter Suchvorgang Recherche. Die gesammelten Literaturverweise werden in Datenbanken so aufbereitet, dass eine Suche nach komplexen Inhalten komfortabel möglich ist. Das entsprechende Programm (Retrievalsystem) wird meistens von dem Anbieter der Datenbank mitgeliefert. Ohne ein leistungsfähiges Retrievalsystem ist die beste Datensammlung wertlos.

Die Suche in der Datenbank erfolgt nach Schlagworten oder einem anderen Merkmal (z.B. nach Autor). Man kann mehrere Schlagworte mit den logischen Operatoren UND, ODER und NICHT verbinden und damit die Suche auf eine spezielle Fragestellung einengen. Eine effektive Datenbankabfrage erfordert einige Erfahrung. Durch die Suche im Internet mit Suchmaschinen ("googeln") sind heute aber auch Endbenutzer mit komplexeren Recherchen vertraut.

Gütekriterien für eine Dokumentation       

Die Güte einer Dokumentation hängt von dem Ordnungssystem und von der Indexierung ab. Um sie beurteilen zu können, verwendet man zwei Maßzahlen, die aus folgender Vierfeldertafel bestimmt werden können (vgl. die Analogie zur Beurteilung der Güte eines diagnostischen Tests).

 
Dokument für die Fragestellung relevant
Dokument für die Fragestellung nicht relevant
Dokument gefunden
a
b
Dokument nicht gefunden
c
d

Daraus werden berechnet:

Vollzähligkeitsrate (Recall

und Relevanzrate (Präzision, Precision)

Während die Vollzähligkeitsrate in der Praxis schwierig zu bestimmen ist, da die Anzahl der relevanten Dokumente i.a. nicht bekannt ist, lässt sich die Präzision einfacher angeben.

Beispiel: In einer Literaturdokumentation wird mit dem Deskriptor "Malaria tertiana" gesucht. Es werden 45 Dokumente gefunden. Bei der Durchsicht der Originalarbeiten stellt man fest, dass nur 28 Dokumente relevant sind. Daraus berechnet sich die Präzision p = 28/45 = 0.62 = 62%.