Universitätsklinikum des Saarlandes und Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes
PSMA-gerichtete Therapien (Radioligandentherapie, PRLT)
Prof. Dr. Samer Ezziddin

PSMA-gerichtete Therapien (Radioligandentherapie, ...

PSMA-gerichtete Radionuklidtherapie (PSMA-PRRT)

Das Prostatakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor des Mannes in Deutschland. Nach lokaler Therapie (Operation u./o. Bestrahlung) mit der Absicht zu heilen, wird beim fortgeschrittenen (metastasierten) Prostatakarzinom oft eine ergänzende antihormonelle Therapie eingeleitet. Nach längerer Dauer der antihormonellen Therapie werden die Tumorzellen jedoch oft resistent, so dass bei weiterem Fortschreiten der Tumorerkrankung andere, unter anderem chemotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten zum Einsatz kommen. Den Überblick über das gesamte Therapiespektrum beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom haben die onkologisch tätigen Spezialisten der Urologie.

 

Eine neue, zielgerichtete Therapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom ist die PSMA-gerichtete Radionuklidtherapie, auch PSMA-gerichtete Peptidrezeptor-Radionuklidtherapie (PSMA-PRRT) genannt. PSMA (Prostataspezifisches Membranantigen) ist ein Eiweißrezeptor, der auf der Zelloberfläche von Prostatakarzinomzellen sehr reichhaltig vorhanden ist. Dies macht man sich in der nuklearmedizinischen Diagnostik und Therapie dieser Tumore zunutze, indem man an einen Stoff, der an PSMA bindet, ein radioaktives Nuklid koppelt, welches entweder detektierbare Strahlen zur Diagnostik oder (therapeutisch) schädigende Strahlen mit kurzer Reichweite (z.B. 177Lutetium) abstrahlt. Bei der PSMA-gerichteten Radionuklidtherapie kann die radioaktive Strahlung (ß-Strahlung) ihre therapeutische Wirkung direkt an den Tumorzellen entfalten und gleichzeitig das umgebende gesunde Gewebe schonen. Einen Podcast, der über die PSMA Radiologandentherapie bei Prostatakrebs berichtet, finden Sie hier.

 


 

Fallbeispiel I PSMA-Therapie

61jähriger Prostatakarzinom Patient mit Knochenmetastasen. Patient war progressiv nach ADT-Behandlung und Abiraterone plus Prednisolon. Drei Zyklen der PSMA-gerichteten Radioliganden Therapie (PRLT) mittels Lutetium-177 PSMA-617 führten zu einer dramatischen Reduktion des PSA-Wertes. Das Therapiemonitoring mittels 68Ga-PSMA-11 PET Bildgebung zeigte lediglich eine minimale Resterkrankung.

Indikationen der 177Lu(Lutetium)-PSMA-gerichteten Radionuklidtherapie (PSMA-PRRT)

Initial wird das Prostatakarzinom in der Regel in kurativer (=heilender) Absicht operiert oder bestrahlt. Trotz optimaler Therapie kommt es im weiteren Verlauf häufig zum Rezidiv. Sofern inoperabel kann dieses dann meist mit einer antihormonellen Therapie (gegen Prostatakarzinom-stimulierende Androgene gerichtet) für längere Zeit kontrolliert werden. Schließlich werden die Tumorzellen gegen diese unempfindlich und wachsen ungehindert weiter. Bei reinem Knochenbefall bietet sich dann häufig die Möglichkeit einer knochengerichteten Radionuklidtherapie (Alpharadin, Xofigo). Kommt diese Therapie nicht in Frage oder wirkt sie nicht (mehr), muss bei vielen Patienten eine Chemotherapie durchgeführt werden. Diese kann zwar zu Nebenwirkungen  und einer Belastung des Patienten führen, erreicht aber häufig eine Tumorkontrolle für einige Zeit.  Wenn die Tumorzellen zuletzt auch gegen diese Behandlung resistent werden, wirkt häufig noch die PSMA-PRRT, da sie mit sehr zielgerichteter Strahlung von innen arbeitet. Es handelt sich also um eine neue Behandlungsmethode für Patienten, bei denen keine befriedigenden Therapiealternativen bestehen. Die Behandlung ist nur möglich, wenn die Metastasen bzw. der Tumor in ausreichender Intensität PSMA anreichern. Um dies festzustellen, ist eine 68Ga-PSMA-PET/CT Untersuchung vor der Therapie erforderlich. Diese PET-CT wird auch von unserer Klinik angeboten.

Fallbeispiel II PSMA-Therapie

77jähriger Prostatakarzinom Patient mit Progression nach Enzalutamid und Chemotherapie. Eine nahezu vollständige Remission war bereits nach einem Zyklus an PSMA-gerichteten Radioliganden Therapie (PRLT) mittels Lutetium-177 PSMA-617 festzustellen. Das Therapiemonitoring erfolgte mittels 68Ga-PSMA-11 PET Bildgebung

Ablauf der Therapie

Nach Durchführung der vorbereitenden Untersuchungen (Labor, quantitative Bestimmung von Organfunktionen, z.B. Nierenfunktion, Speicheldrüsenfunktion) erfolgt die der Tumorlast und Befundkonstellation angemessene Infusion der Radionuklidsubstanz über die Armvene.  Prophylaktische Kühlmanöver der Speicheldrüsen (Kühlung der Ohrspeicheldrüsen von außen) werden durchgeführt, falls zum Nutzen für den Patienten angezeigt. Ebenfalls erfolgt die Infusion von Flüssigkeit zur ausreichenden Hydrierung (Wässerung).

Im Laufe des stationären Aufenthaltes wird die erreichte Herddosis in Tumor- und Organ-Gewebe (v.a. Niere) berechnet. Hierzu erfolgen serielle Ganzkörper- und SPECT-CT-Untersuchungen, welche die nach außen abgestrahlte Gammastrahlung bezogen auf das jeweilige Gewebe quantifizieren lassen. Außerdem werden die erforderlichen Blutentnahmen durchgeführt. Die Dauer des stationären Aufenthalts beträgt wenige Tage (< 1 Woche).

 

Nebenwirkungen

In den weitaus meisten Fällen wird die Therapie sehr gut vertragen. Gelegentlich kommt es zu Nebenwirkungen wie Übelkeit (medikamentös behandelbar), Geschmacksstörungen und Mundtrockenheit (teilweise passager) sowie Abgeschlagenheit. Das PSMA-bindende Radiopharmakon wird sowohl über die Nieren als auch über die Leber und Gallenblase ausgeschieden. Daher ist eine ausreichende Darmaktivität vorteilhaft, ggf. kann hier eine Stimulation erfolgen. Gleichzeitig ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr erforderlich. Die Leber- und Nierenwerte werden nach der Therapie weiter kontrolliert. Risikoorgane sind vor allem die Speichel- und Tränendrüsen, in denen das PSMA-gerichtete Konjugat ebenfalls angereichert wird. Eine Kühlung der Speicheldrüsen kann möglicherweise zu einer Minimierung der Strahlenschäden führen, die Gefahr einer dauerhaften Schädigung mit Funktionsverlust (Mundtrockenheit) erscheint jedoch nach bisherigen Erkenntnissen bei der 177Lu(Lutetium)-PSMA-PRRT anders als bei anderen Speicheldrüsen-beteiligenden Radionuklidtherapien gering. Dennoch kann die Langzeit-Nebenwirkung einer Mund- und/oder Augentrockenheit nicht ausgeschlossen werden. Zudem kann es zu vorübergehenden Veränderungen des Blutbildes kommen.

Fallbeispiel III PSMA-Therapie

84jähriger Prostatakarzinom Patient mit Leber- und Knochenmetastasen. Patient zeigt Progression nach ADT Therapie, Abirateron/Prednisolon und externer Strahlentherapie. Ein vollständiges, biochemisches Ansprechen (vollständige Remission) war nach drei Behandlungen mittels PSMA-gerichteter Radioliganden Therapie (PRLT) mit Lutetium-177 PSMA-167 festzustellen. Das Therapiemonitoring erfolgte mittels 68Ga-PSMA-11 PET Bildgebung.

Nach der Therapie

In der Regel kann der Patient wenige Tage nach der PSMA-Therapie unsere Klinik verlassen. Die behandelnden Ärzte erhalten einen ausführlichen Arztbrief über die durchgeführte Therapie und die erforderlichen Kontrollen der Laborparameter. Meist sind alle 2-4 Wochen Laborkontrollen über den Zeitraum der Therapien und den Monaten darauf erforderlich. In Abhängigkeit der Untersuchungsergebnisse, der Organfunktionen (insbes. Knochenmark und Nierenfunktion) und des Allgemeinzustandes des Patienten wird über die Fortsetzung der PSMA-gerichteten Radionuklidtherapie (weitere Behandlungszyklen) interdisziplinär beraten. Im Einvernehmen mit dem Patienten erfolgt dann ggf. die Terminierung zum nächsten Zyklus.

 

Expertise der Uniklinik Homburg

In der Klinik für Nuklearmedizin in Homburg besteht ein therapeutischer Schwerpunkt für onkologische Erkrankungen und innovative Tumortherapien. Prof. Ezziddin ist ein ausgewiesener internationaler Experte für die zielgerichtete Radionuklidtherapie und hat diverse Konzepte zur individualisierten Tumortherapie zum Hauptgebiet seiner klinischen und wissenschaftlichen Bemühungen gemacht. Sein Engagement gilt der Optimierung der Behandlung von metastasierten oder anderweitig schwer behandelbaren Tumorerkrankungen. Nach Einführung der 177Lu(Lutetium)-basierten Therapie in 2004 hat er neue Konzepte zur Wirkungssteigerung inklusive intraarterieller und dosimetrischer Ansätze verfolgt und wissenschaftlich publiziert. Zur Optimierung der PSMA-gerichteten Radionuklidtherapie gilt in Homburg das Bestreben, die individuelle Bindungseigenschaft und Rezeptorkapazität, die Tumorlast, sowie Organfunktionen und Ausscheidungskinetik des Patienten für die Therapieentscheidung und Therapiegestaltung zu berücksichtigen. Es ist wichtig an dieser Stelle zu betonen, dass es sich bei der PSMA-PRRT um eine experimentelle neue Therapie handelt, für welche es noch keine Langzeitdaten gibt. Dennoch sehen die initialen Ergebnisse so vielversprechend aus, dass diese Therapieform metastasierten Patienten mit fehlenden guten Behandlungsalternativen nicht vorenthalten werden kann; eine vorübergehende Tumormassenreduktion und Tumorkontrolle ist bei guter Speicherung wahrscheinlich, jedoch wird nach einer bestimmten Zeit auch dieses Verfahren keine Kontrolle mehr bringen, wie bei allen anderen Verfahren im (unheilbar) metastasierten Stadium.

 

Anmeldung zur PSMA-Therapie (PSMA-PRRT)

Die Entscheidung zur PSMA-Therapie wird nach Vorliegen aller Befunde gemeinsam mit dem behandelnden Urologen, Onkologen und ggf. den Experten der Uniklinik Homburg in einem interdisziplinären Konsens getroffen.

 

Eine Anmeldung zur Therapie-Evaluation oder einem orientierenden Beratungsgespräch kann unter Tel.: 06841-16-24594 (tumortherapie-nuk @uks.eu) erfolgen. Hier erhalten Sie auch Informationen über die erforderlichen Befunde und Unterlagen.

Koordination Tumortherapien

Tel.: 06841/16-24594

Fax: 06841/16-1724594

Beispiele 177-Lutetium PSMA Therapie

Podcast für Patienten und Interessierte