Universitätsklinikum des Saarlandes und Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes
Fettstoffwechselstörungen - wann therapieren?
Leitung: Prof. Dr. Michael Böhm
Dr. med.
Nigge, 
Anke
Oberärztin Privatambulanz, Kardiologische Ambulanz, Leiterin Lipidambulanz
06841 - 16 - 15000
4067
Nigge Anke
Buhles, 
Roswitha
Diagnostikzentrum (Geb. 41.1)
06841 - 16 - 15999
06841 - 16 - 15995
Buhles Roswitha

Fettstoffwechselstörungen - wann therapieren?

Aufgaben von Cholesterin im menschlichen Körper

Cholesterin ist als wichtiger Bestandteil von Zellmembranen und Baustein in verschiedenen Stoffwechselprozessen im Blut und allen Zellen des Körpers präsent. Zuviel Cholesterin im Blut und in der Gefäßwand führt jedoch zu ernsthaften Gesundheitsschäden und vorzeitiger Sterblichkeit durch Gefäßverkalkungen (Atherosklerose) und ihren Folgeerkrankungen. Dies sind insbesondere Herzinfarkte, Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen.

 

Zu den wichtigsten Blutfetten gehören die Triglyzeride und Cholesterin. Triglyceride sind die Hauptbestandteile von Fetten, die wir über den Darm aus der Nahrung aufnehmen und wichtige Energielieferanten. Cholesterin wird dagegen zu rund 80% von unserem Körper selbst gebildet, nur der kleinere Teil wird mit der Nahrung aufgenommen. Ein entscheidendes Organ für den Cholesterinstoffwechsel ist die Leber. Hier wird Cholesterin hauptsächlich hergestellt und die Leber reguliert über spezielle Rezeptoren auf den Leberzellen, die LDL-Cholesterin-Rezeptoren, die Konzentration von Cholesterin im Blutkreislauf.

Triglzeride und Cholesterin sind in wässrigen Flüssigkeiten, wie z.B. dem Blut, nicht löslich. Daher werden sie in kleine Partikel, die sogenannten Lipoproteine, verpackt und transportiert. Lipoproteine bestehen aus Fett und verschiedenen Eiweißen (Proteine). Die große Gruppe der sehr unterschiedlichen Lipoproteine wird grob nach ihrer Dichte eingeteilt. Im Hinblick auf Gefäßerkrankungen kommt den „Low-Density-Lipoproteine“ (LDL) eine zentrale pathologische (krankmachende) Bedeutung zu.

 

Die aktuellen Therapieempfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften wie z.B. der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie haben als primäres Ziel eine Senkung des LDL-Cholesterins. Dies ist durch folgende wissenschaftliche Erkenntnisse begründet:

  • ­Bevölkerungsbezogene epidemiologische Studien zeigen, dass die Höhe des LDL-C direkt mit dem Herzinfarktrisiko und kardiovaskulärer Sterblichkeit assoziiert ist.
  • Aktuelle genetische Untersuchungen belegen, dass eine familiäre Veranlagung zu niedrigen LDL-C-Spiegeln das Herz-Kreislaufrisiko senkt, während eine familiäre Veranlagung zu hohem LDL-C das Risiko erhöht.
  • Auf molekularer und zellulärer Ebene ist im Detail verstanden wie LDL-Cholesterin Gefäßverkalkungen induziert und das Fortschreiten von atherosklerotischen Plaques vermittelt. LDL-C ist kausal für die Atherosklerose, ohne LDL-C kann kein Plaque entstehen.
  • Es ist sehr gut dokumentiert, dass eine LDL-C-Senkung mit Statinen zu einer parallelen Reduktion des Herz-Kreislaufrisikos führt.
  • Auch eine nicht-Statin vermittelte Senkung des LDL-Cholesterin reduziert das Herz-Kreislaufrisiko.

 

Wie hoch darf der LDL-Wert im Blut sein?

Das Ziel einer Behandlung ist grundsätzlich nicht eine Zahl auf einem Laborzettel sondern die Verhinderung von kardiovaskulären Ereignissen bei der betreffenden Person. Die Höhe der erreichbaren Risikoreduktion hängt dabei wesentlich von 3 Faktoren ab:

  • ­Erstens ist entscheidend, wie hoch das gesamte kardiovaskuläre Risiko eines Menschen ist. Dies wird neben dem Lebensalter und Geschlecht durch Rauchen, Blutdruck, Diabetes mellitus und andere Faktoren beeinflusst. Je höher das Gesamtrisiko ist, desto mehr Herzinfarkte und Schlaganfälle können durch eine Cholesterinsenkung vermieden werden.
  • ­Zweitens richtet sich die absolute Ereignisreduktion nach der Höhe des Ausgangscholesterins vor einer Behandlung. Je höher die Serum-LDL-C-Werte, desto mehr Herzinfarkte können durch Senkung des LDL-C verhindert werden. Dabei zeigen aktuelle Studien, dass es wichtig ist hohes LDL-Cholesterin so früh wie möglich, bei besonders betroffenen Individuen bereits ab dem Kindesalter, zu behandeln. Entscheidend für Gefäßverkalkung ist die lebenslange Gesamtexposition der Gefäßinnenwand gegenüber erhöhten Cholesterinwerten.
  • Drittens bestimmt das Ausmaß der Cholesterinsenkung die Risikoreduktion. Je stärker das LDL-Cholesterin gesenkt wird, desto größer ist die Risikoreduktion von Herzinfarkten. Hierbei besteht die beste Evidenz für eine Ereignisreduktion für die Statine, diese werden daher übereinstimmend von allen Fachgesellschaften als Therapiestrategie der ersten Wahl empfohlen.

Welche LDL-Zielwerte sollen angestrebt werden?

Prinzipiell gilt: Je niedriger die LDL-C-Werte, desto niedriger das Risiko. Wissenschaftliche Experten stimmen darin überein, dass die oben beschriebenen biologischen Prinzipien sinnvoller Weise in LDL-C-Zielwerte übersetzt werden. Die Zielwerte sind ein wichtiges Mittel für die Kommunikation und tragen der Tatsache Rechnung, dass verschiedene therapeutische Modalitäten von Patient und Arzt gemeinsam eingesetzt werden um die Zielwerte zu erreichen.

 

Für alle Menschen gilt, dass ein LDL-Zielwert unter 115 mg/dl (<3 mmol/l) angestrebt werden soll.

 

Bei hohem Herz-Kreislauf-Gesamtrisiko sollte ein LDL-C-Zielwert unter 100 mg/dl (<2,5 mmol/l) angestrebt werden. Zu dieser Gruppe gehören z.B. Menschen mit ausgeprägtem Bluthochdruck, genetisch bedingter familiärer Hypercholesterinämie oder Raucher.

 

Bei sehr hohem Herz-Kreislauf-Gesamtrisiko (z.B. bei Zuckerkrankheit oder schon vorhandener Herz-Kreislauf-Erkrankung) sollte eine LDL-Zielwert < 70 mg/dl (<1,8 mmol/l) angestrebt werden.

 

Durch welche Maßnahmen soll das LDL-Cholesterin gesenkt werden?

An erster Stelle  stehen die Lebensstilmaßnahmen. Ein häufiges Missverständnis besteht in der Verwechslung von Übergewicht (Adipositas) mit Hypercholesterinämie. Diese Konstellation tritt zwar häufig in Kombination auf, die zugrundeliegenden Ursachen sind jedoch unterschiedlich. Die LDL-C Spiegel im Blut sind wesentlich von der Regulation in der Leber (nicht der Nahrungsaufnahme) abhängig, die genetisch determiniert ist. Eine Gewichtsnormalisierung ist für das Herz-Kreislaufsystem insgesamt positiv. In Bezug auf die Ernährung kann eine Veränderung der Zusammensetzung zu mehr pflanzlichen und weniger tierischen Fetten die Lipid-senkende Therapie günstig beeinflussen. Diese Ernährungs-Maßnahmen sind jedoch bei höheren LDL-Cholesterinwerten alleine nicht ausreichend um eine ausreichende Senkung zu erzielen.

Zu einem herzgesunden Lebensstil gehören unbedingt der Rauch-Stop und eine regelmäßige Bewegung. Gut geeignet sind Ausdauersportarten wie Wandern, Laufen, Schwimmen oder Tanzen. Ideal ist eine tägliche körperliche Aktivität von wenigsten 30 Minuten.

 

Wenn eine medikamentöse Therapie notwendig ist, stellen die Statine die Therapie der ersten Wahl dar. Statine werden als Tabletten eingenommen und hemmen die körpereigene Synthese von Cholesterin in der Leber. Um den Cholesterinbedarf der Leber zu decken werden auf ihrer Oberfläche mehr LDl-Rezeptoren gebildet. Infolgedessen kann die Leber mehr LDL-Cholesterin aus dem Blut aufnehmen und der LDL-Cholesterinwert im Blut sinkt. Für Statine ist in vielen großen Untersuchungen bewiesen, dass sie kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren und ihre Einnahme über viele Jahrzehnte sicher ist.

 

Sollte eine ausreichende LDL-C-Senkung mit Statinen nicht möglich sein kommt als Kombinationspartner der CholesterinresorptionshemmerEzetimib infrage. Weitere Reservemedikamente sind die Anionenaustauscherharze (z.B. Colesevelam) und die Fibrate. Für ausgewählte Patienten können die neuen PCSK9-Inhibitoren oder sogar für seltene Extremfälle die „Blutwäsche“ d.h. die Lipoprotein-Apherese eingesetzt werden.

 

(C) 2016 Prof. Dr. med. Ulrich Laufs