Universitätsklinikum des Saarlandes und Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes
Pseudarthrose
Leitung: Prof. Dr. Tim Pohlemann

Pseudarthrose

Pseudarthrosen – Pathomechanismen und Behandlungsansätze der gestörten Knochenheilung


Trotz des wissenschaftlichen Fortschritts und dem Erkenntnisgewinn molekularer Mechanismen im Bereich der Knochenheilung in den vergangenen Jahrzehnten zeigt noch immer etwa jede zehnte Fraktur eine verzögerte oder ausbleibende Knochenheilung (Pseudarthrose). Hieraus resultieren für den betroffenen Patienten schwerwiegende individuelle Konsequenzen mit oftmals langer Behandlungsdauer und der Notwendigkeit multipler und komplexer operativer Eingriffe mit entsprechenden Operations- und Narkose-assoziierten Risiken. Neben diesen individuellen Konsequenzen entstehen darüber hinaus jährlich erhebliche gesundheitsökonomische Kosten.

 

Die Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums des Saarlandes (Direktor: Prof. Dr. T. Pohlemann) erforscht bereits seit vielen Jahren neue, experimentelle Behandlungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Knochenheilung. So konnten in der Vergangenheit verschiedene Tiermodelle zur standardisierten Analyse sowohl der physiologischen (zeitgerechten) als auch der gestörten Frakturheilung entwickelt werden und die Wirkung verschiedener endogener und exogener Einflussfaktoren auf die Frakturheilung untersucht werden.

 

Anwendung von Biomaterialien zur Behandlung von Pseudarthrosen:

Auf den Vorarbeiten unserer Arbeitsgruppe aufbauend ist konnten wir lokale, d.h. auf den Knochendefekt begrenzte, Behandlungsmöglichkeiten entwickeln, um eine physiologische Knochenheilung zu unterstützen bzw. eine Pseudarthrose zur knöchernen Ausheilung zu bringen. Hierzu ist das komplexe Wechselspiel der unterschiedlichen, relevanten Wachstumsfaktoren während des Knochenheilungsprozesses zu berücksichtigen. Zudem ist weitestgehend unbekannt, in welchem Maß die verschiedenen angiogenen und osteogenen Wachstumsfaktorenim Rahmen der gestörten Knochenheilung modifiziert werden müssen, um einen stimulierenden Effekt auf die Knochenheilung zu induzieren. Interessanterweise konnten wir bereits nachweisen, dass eine pro-angiogene Modifikation des Frakturkallus durch Applikation mikrovaskulärer Gefäßfragmente den Heilungsprozess entgegen vielversprechender in vitro Ergebnisse in vivo sogar schaden kann (Orth M et al. (2018) Effects of locally applied adipose tissue-derived microvascular fragments by thermoresponsive hydrogel on bone healing. Acta Biomater. 77:201-211).

 

Die Applikation von Wachstumsfaktoren muss daher das hoch-spezifische und zeitlich koordinierte Wechselspiel der Wachstumsfaktoren während des Knochenheilungsprozesses berücksichtigen. Dies erfordert eine Trägersubstanz für Wachstumsfaktoren, die diesen Anforderungen in vivo gerecht wird. Solche Biomaterialien müssen außerdem die Bioaktivität des Wachstumsfaktors in vivo sicherstellen und eine Anwendbarkeit garantieren, die im klinischen Alltag realisierbar ist.

 

Kooperationsprojekte unserer Arbeitsgruppe zur Behandlung von Pseudarthrosen:

Kooperationspartner in der Schweiz (AO Research Institute, Davos) und in den USA (Department of Biomedical Engineering, University of Wisconsin-Madison, Madison) konnten verschiedene Trägersubstanzen entwickeln. In Zusammenarbeit mit den jeweiligen Partnern  ist es Ziel unserer Arbeitsgruppe neben etablierten Trägermaterialien wie z. B. Platelet-Rich-Plasma solche, deutlich differenzierteren, Biomaterialien auf ihre Anwendbarkeit in vivo hin zu überprüfen.

Eine dieser Trägersubstanzen sind Mineral Coated Microparticles (MCM). Sie ermöglichen eine Applikation mit räumlich und zeitlich kontrollierter Freisetzung unterschiedlicher Wachstumsfaktoren. Ihre Anwendung zur lokalen Applikation von Bone Morphogenetic Protein-2- bzw. Vascular Endothelial Growth Factor-beschichteten MCM als osteogene bzw. angiogene Biomaterialien in einem unserer anspruchsvollsten Pseudarthrosenmodelle konnte bereits eine deutliche Verbesserung der Knochenheilung mit ossärer Überbrückung des Defektspalts im Vergleich zu Kontrollen zeigen (Orth M et al. (2016) BMP-2-coated mineral coated microparticles improve bone repair in atrophic non-unions. Eur Cell Mater. 33:1-12; Orth M et al. (2019) VEGF-loaded mineral coated microparticles improve bone repair by inducing expression of EPO and RUNX-2 in a murine non-union model. J Orthop Res.37:821-831). Hieraus haben sich in der Folge neue Studienansätze entwickelt, um diese Überbrückung weiter zu beschleunigen und das optimale Verhältnis angio- und osteogener Wachstumsfaktoren zur Modifikation des Heilungsprozesses genauer zu bestimmen.

 

Die bisherigen experimentellen Ansätze zeigen großes Potenzial und sind daher auch für den klinischen Alltag zur Behandlung von Pseudarthrosen von Interesse. Langfristig ist es vorstellbar, dass durch Applikation entsprechend beladenerTrägersubstanzen durch minimal-invasive Verfahren Pseudarthrosen erfolgreich behandelt werden können.

Die künftigen Arbeiten hierzu sollen die unterschiedlichen neuen Ansätze zur lokalen Förderung der Knochenheilung bei der physiologischen Knochenheilung und bei Pseudarthrosen beleuchten, die vielversprechendsten Trägersubstanzen zur Applikation angiogener und osteogener Wachstumsfaktoren charakterisieren und die Wirksamkeit der applizierten Wachstumsfaktoren hinsichtlich der Ausheilung von Pseudarthrosen genauer analysieren.