Saarland University Faculty of Medicine
Globalisierung, Politik, Pflicht
Prof. Dr. Peter Lipp

Impfungen und Globalisierung

Die Notwendigkeit von Schutzimpfungen

„Globale Gesundheit und ihre Sicherung sind Teil der globalen Ordnung. Auf internationaler Ebene bedarf es intensiver Abstimmung und partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Globale Gesundheit ist ein Beispiel für die Notwendigkeit – und auch die Möglichkeiten – internationaler und multilateraler Zusammenarbeit, gerade im Bereich Krisenmanagement und humanitäre Hilfe.“(Auswärtiges Amt)6.[1]

Impfungen bieten einen Schutz vor Infektionskrankheiten indem sie Immunität erzeugen. Sie stellen eine der weltweit effektivsten, kostengünstigsten Präventivmaßnahmen bzgl. einer Krankheitsentstehung dar.6.1,[2]In der Vergangenheit waren Infektionserkrankungen die häufigste Todesursache, so das Beispiel der weltweiten Influenza- Pandemie aus den Jahren 1918/1919, welche 20 Millionen Todesopfer forderte.6.[3] Schutzimpfungen sowie bessere Hygienestandards trugen nicht nur in den Industrienationen zu einem weltweiten Rückgang bedrohlicher Erkrankungen. Man gelangte in den 80ern zu der Überzeugung, zumindest in den Industrienationen Infektionskrankheiten seien weitestgehend besiegt. Armut, schlechte hygienische Zustände, globale sowie regionale Veränderungen des Ökosystems6.[4], Globalisierung und die damit einhergehende Mobilität ferner Migration, Resistenzen und die Entdeckung mindestens 30 neuer Erreger weltweit, sind Auslöser für ein erneutes Aufflammen bereits ausgerottet geglaubter Infektionskrankheiten und Rückten die Gefahren der Infektionserkrankungen wieder in den Fokus der Wissenschaft. 6.[5]

Ziele und Nutzen von Schutzimpfungen

„Neben dem Schutz des Individuums gegen Erreger, die von Mensch zu Mensch übertragen werden, haben viele Impfungen noch einen weiteren Effekt: Sie führen zu einem Kollektivschutz der Bevölkerung, der so genannten Herdimmunität ( herd immunity ).“6.[6] Dadurch wird das Auftreten von Epidemien verhindert.

So gibt es in vielen Ländern bei Einreise, beziehungsweise bei Ausreise aus dem Heimatland Impfempfehlungen, die das Risiko minimieren, sich mit speziell vorherrschenden Erregern zu infizieren. Meist sind alle Grundimpfungen, die das Robert Koch Institut (RKI) empfiehlt, angeraten, dazu können noch andere Impfungen kommen. Beispielsweise werden bei einer Einreise nach Vietnam vom auswertigen Amt Als Reiseimpfungen (…) Impfungen gegen Hepatitis A, bei Langzeitaufenthalt oder besonderer Exposition auch gegen Hepatitis B, Typhus, Tollwut sowie Japanische Enzephalitis (JE) empfohlen.“ (Auswertiges Amt)[7] Es bestehen auch Impfempfehlungen für Asylsuchende in Deutschland. Hier werden Schutzimpfungen, die einen vergleichbaren Schutz zu dem Impfschutz der Bevölkerung bieten, schnellstmöglich empfohlen. (WHO)6.[8]

Aktualität

„In den letzten Jahrzehnten wurden mehr Impfstoffe entwickelt und zugelassen als in den knapp zwei Jahrhunderten zuvor - seit Entwicklung des ersten Pockenimpfstoffes durch Edward Jenner im Jahr 1796.“ 6.[1]

Es werden heute vermehrt Impfstoffe als Kombinationsimpfstoffe verabreicht. Das kann die Akzeptanz von Impfungen erhöhen, denn es verringert die Anzahl an Injektionen und Arztterminen.

„Neue Wege in der Impfstoffherstellung sind z.B.

 

  • gentechnisch hergestellte Impfstoffe,
  • Forschungsversuche mit DNA-Vakzinen 
    sowie mit
  • essbaren Impfstoffen durch gentechnisch veränderte Früchte oder
  • Nasal-Impfstoffe.

 

Diese Impfstoffe sind aber noch im Versuchsstadium.“6.[2]

 

Humane Papillomviren HPV

Die humanen Papillomviren erhalten ihre Aktualität durch sexuelle Aufklärung, die Impfung ist zu empfehlen für Jungen und Mädchen. HPV ist eine sexuell übertragbare Erkrankung, die verantwortlich für Krebs sein kann, deshalb ist die Aufklärung so wichtig. Der beste Zeitpunkt für die Impfung ist vor dem ersten Sexualkontakt. Es besteht keine Impfpflicht, nur eine Empfehlung, bis 2018 in Deutschland nur für Mädchen, nun auch für Jungen.

Langzeitstudien zu Erfolgen oder Nebenwirkungen bestehen noch keine, da der HPV Impfstoff erst seit 2006 in der USA und der EU erlaubt ist, und die Krankheit erst 10 bis 30 Jahre nach der Infektion ausbrechen kann. Eine Verhinderung von Krebsvorstufen nach 6 Jahren ist aber zu bemerken.6.[1]

Die Politisierung der Impfung

Die Politisierung der Impfung spielt in Deutschland bereits seit der Kaiserzeit in den 1870er Jahren eine Rolle. Auch schon damals konnte man diese Diskussion durchaus als polarisierend bezeichnen. Die Impfpflicht für die Pockenimpfung wurde 1874 unter Protest durch Sozialdemokraten und Linke eingeführt und im Zweifelsfall auch mit Polizeigewalt durchgesetzt. Diese verpflichtende Massenimpfung führte zu einer Reduktion der Erkrankungen und die Pocken konnten knapp 100 Jahre später im Jahr 1972 in Mitteleuropa vollständig ausgerottet werden.6.12

Sowohl früher als auch heute bildet das Individualrecht den größten Streitpunkt in der fortwährenden Debatte über eine Impfpflicht. Heute spielt der vielzitierte erste Artikel des Grundgesetzes ("Die Würde des Menschen ist unantastbar.") eine wichtige Rolle in der Argumentation des Selbstbestimmungsrechtes gegen eine verpflichtende Impfung. Auch der zweite Artikel, welcher körperliche Unversehrtheit garantiert, ist hierbei als Argument gegen eine verpflichtende Impfung zu nennen. Als es im ersten Halbjahr 2013 zu mehr als 900 Masernerkrankungen in Deutschland gekommen war, wagte der damalige Gesundheitsminister Bahr einen zunächst nicht erfolgreichen Vorstoß in Richtung der verpflichtenden Impfung.6.13 Der Rechtwissenschaftler Ulrich Gassner bezeichnete solche Pläne als "fantasieloses Mittel des totalen Präventionsstaats".6.12 Dennoch erstarb die Diskussion in den kommenden Jahren nicht, schob den politischen Prozess an und mündete schließlich doch in der Impfverpflichtung.

Das Masernschutzgesetz von 2019

Das Masernschutzgesetz wurde auf Veranlassung des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn am 17.07.2019 im Kabinett der deutschen Bundesregierung beschlossen. Die steigende Anzahl der Erkrankungen im ersten Halbjahr 2019 (429 Fälle im Vergleich zu 544 Fälle im gesamten Jahr 2018), sowie das Ziel einer bundesweiten Impfquote von 95%, welche zu Herdenimmunität führen würde, trugen zu dieser Entscheidung des Bundesamtes für Gesundheit entscheidend bei.6.14 Der Gesundheitsminister betont hierbei deutlich, dass es um eine Abwägung zwischen Einschränkung des Individualrechtes durch Impfzwang auf der einen Seite und eine Beschränkung der Gesundheit der Bevölkerung auf der anderen Seite durch drohende Ansteckungsgefahr in öffentlichen Einrichtungen und weiteren Lebenssituationen, etwa im Bereich Mobilität, geht.

Laut Masernschutzgesetz sollen alle Kinder, die öffentliche Einrichtungen (Schulen, Kindertagesstätten, Tagesmütter und Asylunterkünfte usw.) besuchen, bis Ende Juli 2021 eine Masernimpfung nachweisen. Gleiches gilt für medizinisches und weiteres Personal, welches in Unterkünften und Schulen beschäftigt und nach 1970 geboren ist.6.14

 

Eine Neuregelung gibt es auch für impfende Mediziner. Ab sofort dürfen alle Ärzte, ausgenommen Zahnärzte, die Schutzimpfung durchführen. Dies ermöglicht eine weniger komplizierte Durchführung und eine lückenlose Umsetzung des Gesetzes. Beispielsweise dürfen somit auch Gynäkologen die Partner der Patientinnen oder Pädiater auch die Eltern der Kinder impfen.6.14

Weiterhin werden der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung jährlich zwei Millionen Euro bereitgestellt um Aufklärungsarbeit weiter voran zu treiben.

Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen, jene aber in Gemeinschaftunterkünften unterbringen, müssen mit einer Geldstrafe von bis zu 2500 Euro rechnen. Kinder können auch vom Besuch des Kindergartens ausgeschlossen werden und nicht geimpftes Personal darf keine Tätigkeiten aufnehmen.6.14