Saarland University Faculty of Medicine
Makro- und Mikroangiopathien
Prof. Dr. Peter Lipp

Makro und Mikroangiapathie



Diabetische Gefäßschäden lassen sich in unspezifische Makroangiopathie und diabetesspezifische Mikroangiopathie einteilen.

 

Mikroangiopathie: Verdickung der kapillären Basalmembranen durch die Blutzuckerbedingte nichtenzymatische Glykosylierung von Proteinen.

Dicke der Basalmembran korreliert mit Einstellung des Diabetes und genetischer Disposition (Männer häufiger als Frauen)

 

Makroangiopathie mit Frühartheriosklerose: (Makro: betrifft die großen Gefäße)



Koronare Herzkrankheit (KHK)

Stenosierende Arteriosklerose der großen epikardialen Koronararterien, d.h. Verhärtung der äußeren Herzkranzgefäße durch Ablagerung von Thromben, Bindegewebe und Blutfetten. Betroffene Gefäße verlieren Elastizität und Arterienwände degenerieren. Herdförmige Plaques lagern sich ein und das Bindegewebe beginnt zu wuchern. Folge: Stenose des Gefäßes und somit verminderter/ unterbrochener Blutfluss und Unterversorgung des entsprechenden Herzmuskels.



Biochemische Enstehung:

 

  1. Hypothese: Response-to-injury

 

Verletzung der Intima (innere Arterienwandschicht, besteht aus einer Lage einzelliger Endothelzellen) durch Traumata wie Bluthochdruch (Häufig bei Diabetes Mellitus Typ II durch Übergewicht und Bewegungsmangel), daraus durch Wachstumsfaktoren ausgelöste Wucherungen und Wanderung aus der Media (mehrschichtige mittlere Gefäßwandschicht) von glatten Muskelzellen in die Intima (innerste Gefäßwandschicht).

Weiters dringen Lipidproteine in die vorgeschädigte Intima ein und werden dort oxidiert, mit der Folge dass oxidiertes Low- density Lipoprotein (LDL) in der innersten Schicht des Gefäßes vorliegt.

Dadurch werden Markophagen angezogen die das oxidierte Low- density Lipoprotein binden und es entsteht eine Schaumzelle. Diese führen dann zur Bildung von herdförmigen Gewebsänderungen, den arteriosklerotisch typischen Plaques (Abb.: 1).

 

  1. Lipoprotein-induced-atherosclerosis-Hypothese

Zügige Aufnahme des Biochemisch umgewandelten Low- desity Lipoproetein von Makrophagen und Umwandlung zu sich schnell ausbreitetnden Schaumzellen und daraus resultierende Entzündungen der Epithelzellen und Bildung der typischen Plaques.

 

Zusätzlich können aufgebrochene Plaques noch Gerinnungsfaktoren auslösen die eine weitere Verengung des arteriellen Druchmessers nach sich ziehen.

55% der Diabetiker sterben an einem Herzinfarkt!

 

Besonderheiten der Koronaren Herzkrankheit bei Diabetes:

  • Diffuses Verteilungsmuster der Koronaren Herzkrankheit und bevorzugter Befall der Koronararterien und des Hauptstammes (Abb.: 2)

  • Gestörte Angina Wahrnehmung durch Autonome diabetische Neuropathie ( d.h. Störung des vegetativen Nervensystems (sympatisch und parasympatisch)) mit eventuell schmerzlosen Infarkten und stummer Ischämie

  • Ungünstigere Prognose

 

Fazit: Diabetiker die gleichzeitig an Hypertonie leiden haben eine 20-30%ige Wahrscheinlichkeit für ein kardiovalkuläres Ereignis innerhalb der nächsten 10 Jahre und gehören damit zu einer Hochrisikogruppe. Entwickelt sich zusätzlich noch eine diabetische Nephropathie steigt das Risiko auf >30%/ 10 Jahre.

Oftmals kann der Schmerz als Warnsignal wie Angina pectoris oder Claudicatio intermittens aufgrund der Neuropathie fehlen.

75% aller Diabetiker versterben an kardiovaskulären Komplikationen.

75% der Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen haben einen Diabetes Mellitus oder eine Störung der Glucosetoleranz.

Abbildung 1: Plaqueablagerungen im Gefäß

Abbildung 2: Herzkrankgefäße




Periphere arterielle Verschlusskrankheit und arterielle Verschlusskrankheit der Hirnarterien und ischämischer Hirninfarkt

Selbes Prinzip der stenosierenden Arteriosklerose mit betreffenden Arealen des Gehirns oder peripherer Körperteile wie bei Koronarer Herzkrankheit mit Unterversorgung des Gewebes und der daraus resultierenden Folgen.





Mikroangiopathie

 

  • Diabetische Nephropathie

  • Diabetische Retinopathie

  • Diabetische Neuropathie (Simon)

  • Diabetisches Fußsyndrom (simon) ( neuropathischer diabetischer Fuß, diabetisch-neuropathische Osteoarthropathie, ischämischer Fuß bei peripher arterieller Verschlusskrankheit pAVK)





Diabetische Nephropathie

 

 

Def.: Diabetische Nephropathie ist eine glomeruläre Sklerose und Fibrose, verursacht durch hämodynamische und metabolische Veränderungen bei Diabetes Mellitus.

Anzeichen einer Manifestation sind eine langsam progrediente Albuminurie mit Verschlechterung des Bluthochdrucks und Niereninsuffizienz



Pathophysiologie:

 

Die auf dem Diabetes Mellitus basierende Hyperglykämie führt in den Nierenkörperchen zur Glycosylierung von glomulären Proteinen, die für die Prolieferation von mesangialen Zellen verantwortlich sind. D.h. die Glucose im Blut wird an Proteine im Glomerulus gebunden die für schnelles Wachstum der Mesangiumzellen zuständig sind und somit aktiviert (TGF β1 und Angiotensin II). Mesangiumzellen bilden zusammen mit der extrazellulären Matrix das Mesagium (Gewebestruktur mit wichtiger Funktion der GFR).

(Abb. 1: Aufbau eines Glomerulus)



  • Renale Hypertrophie mit Größenzunahme der Glumeruli und Verdickung der Basalmembran

  • Erhöhte glomuläre Permeabilität mit Mikroalbuminurie mit Ausscheidung von Albumin im Bereich von 30- 300  mg/ Tag. Im weiteren Verlauf entsteht eine Makroalbuminurie (>300 mg/ Tag), ab >3g/ Tag spricht man von einem nephrotischen Syndrom und Nierenversagen im Endstadium.

(Normalwerte von Albumin im 24h Sammelurin liegen bei <30mg/ Tag)

  • Glomerulosklerose: Proteinablagerungen in den afferenten sowie efferenten Arteriolen führen zu einer Arteriosklerose.

  • Hinzu kommt eine Vermehrung des interstiziellen  Bindegewebes sowie ein tubulärer Gewebeschwund (Atrophie).

 

Abbildung 3: Glomerulus




Diabetische Retinopathie

 

Vorkommen:

Typ I Diabetes: 90 % nach 15 Jahren, davon 50 % proliferative Retinopathie

Typ II Diabetes: 25% nach 15 Jahren

30% aller Erblindungen in Europa sind durch Diabetes als nicht- traumatische Ursache im Erwachsenenalter.



Pathophysiologie:

 

Entstehung durch Mikroangiopathie wie bereits beschrieben, glykierte und weiter chemisch modifizierte Markomoleküle lagern sich an den retinalen Gefäßwänden ab und induzieren eine Mikroangiopathie.

Unterschieden wird in:

  1. Nichtproliferative Retinopathie (nicht wuchernd)

Mild: nur Mikroaneurysmen (Aneurysma: Gefäßerweiterung)

Mäßig: Zusätzlich einzelne intraretinale Blutungen, venöse Kaliberschwankungen mit perlschnurartigen Venen

Schwer: Aneurysmen und und intraretinale Blutungen in allen 4 Quadranten oder perlschnurartige Venen in min. 2 Quadranten oder integrale mikrovaskuläre Anomalien in min. 1 Quadranten

 

  1. Proliferative Retinopathie

Gefäßneubildungen an der Papille oder an der übrigen Retina mit oder ohne Glaskörper- oder epiretinalen Blutungen.

Folgen: Netzhautablösung und sekundäres neovaskuläres Glaukom

 

  1. Diabetische Makulopathie

Makulaödem (Wassereinlagerung in der Makula), harte Exsudate, retinale Blutungen

  • Zentrales Sehvermögen gefährdet


Quellen

  • Gerd Herold, Innere Medizin, Herold, 2016, S. 729 ff