Saarland University Faculty of Medicine
Frozen shoulder
Prof. Dr. Peter Lipp

Folgeerkrankungen Diabetes mellitus – Frozen Shoulder

 

Synonyme: adhäsive Kapsulitis,  Perikapsulitis

 

  • In der Bevölkerung erkranken 2-5% der Menschen im Laufe ihres Lebens an einer Frozen Shoulder (Tasto und Elias 2007).

  • Bei Diabetikern liegt die Rate mit 10,8-36% deutlich höher (Pal et al. 1986).

  • Bei 16-30% der betroffenen sind beide Schultergelenke nacheinander befallen (Hannafin und Chiaia 2000).

  • Frauen sind mit 58-70% deutlich häufiger als Männer betroffen (Tasto und Elias 2007).

  • Diese Erkrankung tritt meist erst nach dem 40. Lebensjahr auf (Hand et al. 2008).

  • Neben Diabetes (Hand et al. 2008) führen auch eine Hyperthyreose (Wohlgetan 1987) und eine Hypertriglyceridämie (Bunker 1995) zu einer vermehrten Inzidenz.

 

Pathogenese:

 

  • Die Pathogenese ist bis heute nicht vollständig geklärt (Brue et al. 2007)

  • Es werden endokrine, immunologische, inflammatorische und biochemische Veränderungen als Ursache beschrieben (Hand et al. 2008).

  • Bei betroffenen Patienten wurde ein erhöhtes Niveau von Wachstumsfaktoren (TGF-Beta, Tumornekrosefaktor-Alpha, PDGF) nachgewiesen (Rodeo et al. 1997).

  • Die erhöhte Konzentration von Wachstumsfaktoren führt zu einer gesteigerten Aktivität der Fibroblasten und einer damit einhergehenden übermäßigen Produktion von kollagenen Fasern in der extrazellulären Matrix, sowie zu einem Ungleichgewicht zwischen einer vermehrten Neubildung und einem verringertem Absterben von Fibroblasten. Es kommt zu einer Fibrose der Kapsel und es entsteht ein aktives und passives Bewegungsdefizit des Schultergelenks (Diemer und Sutor 2010)

  • Bei diabetischen Schultern konnte eine erhöhte Konzentration von vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren (VEGF) festgestellt werden (Ryu et al. 2006). Dadurch kommt es zu einer verstärkten Neovaskularisation, die dadurch verstärkte Durchblutung könnte den Stoffwechsel der Zellen womöglich zusätzlich steigern und das vermehrte auftreten bei Diabetes erklären.

  • Häufig liegt bei der Frozen Shoulder auch eine Entzündung der Schultergelenkskapsel vor (Jerosch 2001).

 

Symptome:

 

  • Schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Schultergelenks in unterschiedliche Bewegungsrichtungen.

  • Bewegungseinschränkung ohne klassisches Kapselmuster möglich, z.B. Innenrotation stärker eingeschränkt als Außenrotation (Kapselmuster = Gelenkspezifische Bewegungseinschränkung bei Arthrose oder Arthritis. Z.B. am Schultergelenk: Außenrotation >>> Innenrotation >> Abduktion).

  • Belastungsschmerzen, Ruhe- und/oder Nachtschmerzen.

  • Verstärkte Schmerzen bei und nach vermehrter Aktivität.

  • Typischer Krankheitsverlauf mit drei Phasen.

 

(Diemer und Sutor 2010)

Verlauf:

 

Die Erkrankung wird klinisch meist in drei Phasen eingeteilt welche jeweils ca. 4-6 Monate andauern:                 (Es werden jedoch auch Verläufe bis zu insgesamt 20 Jahren berichtet)

  • Freezing (Einfrieren):  In dieser Phase steht der Ruhe- und Nachtschmerz im Vordergrund, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen nehmen im Verlauf zu, die Bewegungseinschränkung kann zumeist noch gut kompensiert werden.

  • Frozen (Eingefroren): In dieser Phase steht die Bewegungseinschränkung im Vordergrund und hat ihre maximale Einschränkung erreicht, die Ruhe- und Nachtschmerzen nehmen ab.

  • Thawing (Auftauen): In dieser Phase verbessern sich auch die Beweglichkeit,

meist bleiben Kraftdefizite und Bewegungseinschränkungen zurück.

 

(Diemer und Sutor 2010)

 

 

Therapie:

 

Bei der Frozen Shoulder handelt es sich um eine selbstlimitierende Erkrankung. In der Regel legt sich ein Großteil der Beschwerden im Verlauf der Zeit mit und ohne Therapie. Da jedoch häufig Restbeschwerden verbleiben, Patienten unter starken Schmerzen leiden und einige Patienten in Phase zwei verharren, scheint es keine gute Option zu sein auf eine Therapie zu verzichten.

 

Konservativ:

 

  • Medikamentös: Analgetika, steroidale und nichtsteroidale Entzündungshemmer werden vor allem in der ersten Phase angewandt. Durch die Verordnung oraler Steroide können kurzfristige Erfolge erzielt werden (bis zu 6 Wochen). Trotz ausbleibender, langfristig anhaltender Erfolge bleibt die medikamentöse Therapie zur Schmerzlinderung ein fester Bestandteil der Therapie. Die Verordnung von Physiotherapie nach einer mehrwöchigen Therapie mittels oraler Steroide wird diskutiert.

Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Steroidhormonen und Insulin sollten die  medikamentösen Therapieoptionen bei Patienten mit Diabetes im Zweifel mit dem einem Diabetologen abgestimmt werden.

 

  • Physiotherapie: Sowohl aktive als auch passive physiotherapeutische Maßnahmen sind von den jeweiligen Krankheitsphasen abhängig. Durch zu intensive Physiotherapie kann sich der Krankheitsverlauf verzögern und es kann zu verstärkten Beschwerden des Patienten kommen (vor allem in Phase eins und zwei).

 

Freezing: Vorrangig Schmerzlinderung.

Frozen: Leichte Mobilisation, Schmerzlinderung.

Thawing: Intensive Mobilisation, Kräftigung.

 

(Diemer und Sutor 2010)

 

Operativ:

 

In den meisten Fällen reicht eine konservative Therapie aus (Levine et al. 2007). Bei ausbleibender Beschwerdelinderung in Phase zwei und erfolgloser konservativer Therapie kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Operativ bieten sich mehrere Verfahren an:

  • Distensionsarthrografie: Durch das Einbringen von einer Kochsalzlösung und Kortison in die Gelenkhöhle wird die Kapsel stark aufgedehnt und dadurch zerrissen.

  • Narkosemobilisation: Unter Vollnarkose wird die Schulter des Patienten von einem Arzt mobilisiert bzw. manipuliert.

  • Arthroskopische oder offene Arthrolyse: Chirurgische Durchtrennung einzelner Kapselanteile und Verklebungen.

Nach einem operativen Verfahren sollte Physiotherapie zum Erhalt der neu gewonnen Beweglichkeit verordnet werden.

 

(Diemer und Sutor 2010)

Quellen

 

1 Brue S, Valentin A, Forssblad M, Werner S, Mikkelsen C, Cerulli G. Idiopathic adhesive
capsulitis oft he shoulder: a review. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2007; 15(8): 1048-
54.
2 Bunker TD, Esler CN. Frozen shoulder and lipids. J Bone Joint Surg Br. 1995; 77(5): 684-6.
3 Diemer F, Sutor V. Praxis der medizinischen Trainingstherapie II. 2010; 147-57.
4 Hand C, Clipsham K, Rees JL, Carr AJ. Long-term outcome of frozen shoulder. J Shoulder
Elbow Surg. 2008; 17(2): 231-6.
5 Hannafin JA, Chiaia TA. Adhesive capsulitis. A treatment approach. Clin Orthop Relat Res.
2000; (372): 95-109.
6 Jerosch J. 360 degrees arthroscopic capsular release in patients with adhesive capsulitis of
the glenohumeral joint – indication, surgical technique, results. Knee Surg Sports Traumatol
Arthrosc. 2001; 9(3): 178-86.
7 Levine WN, Kashyap CP, Bak SF, Ahmad CS, Blaine TA, Bigliani LU. Noneoperative
management of idiopathic adhesive capsulitis. J Shoulder Elbow Surg. 2007; 16(5): 569-73.
8 Pal B, Anderson J, Dick WC, Griffiths ID. Limitation of joint mobility and shoulder capsulitis in
insulin- and non-insulin dependent diabetes mellitus. Br J Rheumatol. 1986; 25(2): 147-51.
9 Rodeo SA, Hannafin JA, Tom J, Warren RF, Wickiewicz TL. Immunolocalization of cytokines
and their receptors in adhesive capsulitis of the shoulder. J Orthop Res. 1997; 15(3): 427-36.
10 Ryu JD, Kirpalani PA, Kim JM, Nam KH, Han CW, Han SH. Expression of vacular endothelial
growth factor and angiogenesis in the diabetic frozen shoulder. J Shoulder Elbow Surg. 2006;
15(6): 679-85.
11 Tasto JP, Elias DW. Adhesive capsulitis. Sports Med Arthrosc. 2007; 15(4): 216-21.
12 Wohlgethan JR. Frozen shoulder in hyperthyroidism. Arthritis Rheum. 1987; 30(8): 936-9.